Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung |
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Heft 64,
Dezember 2005, 16. Jhrg Editorial Das Ergebnis der Bundestagswahl vom 18. September hat die politische Landschaft der Bundesrepublik deutlich verändert: Abwahl der für Agenda 2010 und Hartz IV verantwortlichen SPD und Grünen, keine Mehrheit für die auf eine Verschärfung des neoliberalen Kurses drängende CDU-FDP-Koalition und Einzug der Linkspartei mit 54 Abgeordneten in den Bundestag. Das Wahlergebnis der Linkspartei hat den Durchmarsch einer schwarz-gelben Mehrheit blockiert und damit bereits Spuren hinterlassen. Das Ergebnis signalisiert, dass mit einem offenen Plädoyer fur Fortsetzung und Verschärfung der Sozialstaatsdemontage und sozialen Polarisierung keine Wahl gewonnen werden kann. Aber zugleich haben die de facto diesen Kurs in und außerhalb der großen Koalition vertretenden Parteien im Bundestag die absolute Mehrheit. Hier liegt der Widerspruch, den die außerparlamentarische und parlamentarische Opposition jetzt thematisieren und zur Wirkung bringen muss, wenn der großen Koalition Schranken gesetzt und die Neuformierung der Linken vorangetrieben werden sollen. Arno Klönne und Ekkehard Lieberam kommentieren in ihren Beiträgen die mit der Großen Koalition und dem Auftreten der Linkspartei entstandene Lage unter der Fragestellung, wie die Linke gesellschaftlichen Einfluss gewinnen kann. Sie sind sich einig, dass dies entscheidend von den sozialen Bewegungen abhangen wird. Aus autonomer Sicht kommentiert Bernd Hüttner die kulturellen und sozialen Differenzen in der Linken. *** Der Schwerpunkt des vorliegenden Heftes behandelt ein in Z lange vernachlässigtes Thema: Rüstung und Kapitalismus. Lühr Henken gibt eine detaillierte Übersicht zur Umstrukturierung der Bundeswehr. Sie ordnet sich ein in die Neubestimmung der NATO-Strategie nach 1991, d.h. nach dem Zusammenbruch der Militärmacht des Warschauer Vertrags. Nicht mehr der „Fall Rot”, sondern die globale Bekämpfung von „Risiken und Instabilitäten” außerhalb des Bündnisgebietes durch „Sofort- und Schnellreaktionskräfte” wurden als militärisches Einsatzgebiet der Zukunft definiert: Einstellung auf die postsozialistische Globalkonstellation. Die Ebene der Rüstungsproduktion und -exporte, das europäische und bundesdeutsche Waffengeschaft, behandelt Martin Hantke im Bericht über ein Hearing der Linksfraktion im Europa-Parlament. Die EU ist heute größter Rüstungsexporteur; die staatlichmonopolistischen Strukturen zur Planung, Abstimmung und Abwicklung der Rüstungsproduktion und -geschäfte sind den neuen Bedingungen angepasst worden ("Europaische Verteidigungsagentur"). Jörg Miehe steuert Überlegungen zu Krieg, Militär und Kapitalinteressen bei, in denen die Frage nach den objektiven Interessen gestellt wird, die hinter der auf weltweite Einsatze ausgerichteten Umrüstung der Bundeswehr zu suchen sind. Sind sie als direkte und eigenständige Reaktion auf Kapital-Interessen an der Sicherung von Auslandsinvestitionen, Rohstoffquellen oder Transportrouten zu interpretieren, wie dies für die klassische imperialistische Hochrüstung anzunehmen war, oder geht es unter den Bedingungen der heutigen globalen Verflechtung und der militärischen US-Dominanz primär um die Platzbehauptung im imperialistischen Bündnis? Die
Binnen-Analysen des bundesdeutschen Kapitalismus beginnen mit einer besonders
hinsichtlich der sozialstrukturellen Auswirkungen der staatlich-politischen
Umverteilungspolitik aufschlussreichen Auswertung des Armutsund
Reichtumsberichts für Nordrhein-Westfalen von Daniel Kreutz. Otto Weiss und
Herbert Kreibich untersuchen „Brennpunkte im Gesundheitswesen”: Defizite in der
ärztlichen Versorgung, öffentliche Sparpolitik, Privatisierung von Kliniken.
Zwei Beiträge behandeln Betriebs- und Gewerkschaftsprobleme: Der BR-Vorsitzende
von VW-Baunatal, Jürgen Stumpf, berichtet über Auseinandersetzungen im
VW-Konzern, den massiven Druck, mit dem Belegschaftsrechte sukzessive
eingeschränkt werden sollen und neue Wege der betrieblichen Mobilisierung der
Beschäftigten. Die erste wissenschaftliche Untersuchung über rechtsextreme
Orientierungen von Gewerkschaftern diskutieren Julika Bürgin und Michael Ebenau.
Sie gehen u.a. der Frage nach, welche Defizite in der gewerkschaftlichen Politik
vorliegen mögen, wenn, wie die Studie zeigt, rechtsextreme Einstellungen bei
Gewerkschaftsmitgliedern kaum weniger verbreitet sind als bei Nichtmitgliedern. |
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