|
Heft 56, Dezember 2003, 14. Jhrg
Ernst Lüdemann
Internationale Kräfteverhältnisse heute
(Erweiterte Fassung eines
Diskussionsbeitrags beim Kolloquium zum 75. Geburtstag von Horst Heininger. Vgl.
auch den Bericht in Z 55 (September 2003), S. 178ff. (Anm. d. Red.))
Rückblick: Vom ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart
Die politischen und ökonomischen Kräfteverhältnisse auf der Erde sind im Laufe
des
20. Jahrhunderts so oft und so gründlich durcheinander gewirbelt worden wie
niemals zuvor in einem ähnlichen Zeitraum. Im Verlauf dieses hinter uns
liegenden Jahrhunderts hat es in den internationalen Kräfteverhältnissen drei
grundlegende Veränderungen gegeben:
Die erste erfolgte im Zusammenhang mit dem Ersten Weltkrieg. Vor diesem Krieg
gab es in der damals einheitlich kapitalistischen Welt auf der Erde sieben große
Mächte (die USA, Großbritannien, Frankreich, Japan, Deutschland,
Österreich-Ungarn und Russland), die nicht nur militärisch und ökonomisch
unterschiedlich stark waren, sondern auch ganz unterschiedlich von der
territorialen Aufteilung der Welt im 19. Jahrhundert profitiert hatten.
Keine dieser Mächte hatte eine dominierende Position, so daß sie in den
folgenden Jahren in Koalitionen Krieg gegeneinander führten. Nach dem Ende jenes
Krieges war das auf kapitalistische Eigentums- und Produktionsverhältnisse
gegründete System nicht mehr allein auf der Welt: Durch die Oktoberrevolution in
Rußland wurde dieses System aufgebrochen. Rußland war das "schwächste
Kettenglied", erwies sich aber dann, wie wir wissen, auch in Gestalt der sich
entwickelnden UdSSR auf die Dauer leider als ein zu schwaches Kettenglied. Doch
es war der erste "Gegenentwurf" zu dem weiterhin dominierenden Kapitalismus.
Nachdem im Zweiten Weltkrieg die Mächte der Achse "Berlin-Rom-Tokio" geschlagen
worden waren, fand in den Welt-Kräfteverhältnissen des 20. Jahrhunderts die
zweite grundlegende Veränderung statt: Neben den USA ging auch die Sowjetunion
aus diesem Krieg als Weltmacht hervor. Die USA hatten den Zweiten Weltkrieg -
wie schon den Ersten - nicht nur unbeschadet überstanden, sie waren die Gewinner
dieses Krieges. Dagegen waren die beiden anderen großen westlichen Mächte der
Anti-Hitler-Koalition - Großbritannien und Frankreich - durch den Krieg
erheblich geschwächt worden; sie hatten sich in der Nachkriegszeit auch noch mit
den nationalen Befreiungsbewegungen in ihren Kolonialreichen auseinander zu
setzen.
Es folgte die Zeit des "Kalten Krieges" mit dem Bestreben der imperialistischen
Hauptmächte, die mit dem sich formierenden "sozialistischen Lager" begonnene
Einwicklung "zurückzurollen". In dieser Zeit entwickelten sich beide Systeme vor
allem in den Grenzen ihrer Kerngebiete. Die NATO, die OECD und die sich in
Westeuropa stufenweise vollziehende Integration einer wachsenden Zahl von
Ländern bildeten den "Kitt", der die kapitalistischen Industrieländer in der
Systemauseinander-setzung zusammenhielt. Eine zunächst relativ zügige, wenngleich
nicht störungs- und krisenfrei vor sich gehende Wirtschaftsentwicklung
unterstützte diesen Prozeß. Hinzu kam, daß es den Hauptmächten des Kapitalismus
gelang, nahezu alle nicht paktgebundenen Staaten mit Hilfe vor allem des
Internationalen Währungsfonds (IWF) und der "Weltbank" (der Internationalen Bank
für Wiederaufbau und Entwicklung), von sich abhängig zu machen.
Das ökonomische Kräfteverhältnis zwischen den beiden Blöcken veränderte sich
zwar anfangs in der Tendenz zugunsten des Sozialismus, doch der Positionsgewinn
der sozialistischen Länder erwies sich letzlich als nur vorübergehend. Zwar
gelang es der UdSSR in den 80er Jahren, im Verhältnis zu ihren imperialistischen
Rivalen ein annäherndes militärisch-strategisches Gleichgewicht zu erreichen,
wenngleich um den Preis der Schwächung vieler für die perspektivische
Entwicklung einer sozialistischen Gesellschaft entscheidender Bereiche.
Gegen Ende des 20. Jahrhunderts vollzog sich dann eine dritte grundlegende
Veränderung der Kräfteverhältnisse im Weltmaßstab, die von den dreien als die
wohl bedeutendste und in ihren Folgen für die gesamte Weltentwicklung als die
mit ziemlicher Sicherheit weitreichendste anzusehen ist. Diese Veränderung
bestand darin, daß der Realsozialismus sowjetischer Prägung wieder von der
Weltkarte verschwand, so daß der Kapitalismus nun erneut, wie schon vor 1917,
"unter sich" ist. Ich möchte hier weder auf die Ursachen dafür noch auf die
Frage eingehen, ob die Entwicklung im bevölkerungsreichsten Land der Erde, in
China, noch sozialistisch zu nennen ist.
Während die beiden erstgenannten Veränderungen mehr oder minder "schlagartig"
(d.h. innerhalb weniger Jahre) erfolgten, erstreckte sich diese dritte
Veränderung des internationalen Kräfteverhältnisses über einen längeren
Zeitraum, der bis zum Krieg der USA gegen Irak im Jahre 2003 reichte, als sich
das neue Welt-Kräfteverhältnis "in voller Entfaltung" zeigte.
Die USA haben in den letzten Jahren aller Welt vorgeführt, wie sie sich das 21.
Jahrhundert vorstellen. Sie können kraft ihrer militärischen Macht, der kein
anderes Land der Erde etwas auf einem ähnlich hohen technologischen Niveau
Stehendes entgegen zu setzen hat, überall intervenieren, wo sie es für richtig
halten. Diese in der gesamten neueren Geschichte einzigartige Stellung eines
Landes als Weltmacht ist, wie wir uns gerade gegenwärtig immer wieder bewußt
machen sollten, nicht vom Himmel gefallen, sie ist eine "Hinterlassenschaft" des
Realsozialismus sowjetischer Prägung für die Menschheit:
Solange es in Gestalt dieses Sozialismus eine "Gegenkraft" gab (wie schwach sie
letztlich auch gewesen sein mag), konnte der Imperialismus gewissermaßen
"eingedämmt" werden. Nun kann er sich in jeder Beziehung wieder die Zügel
schießen lassen. Würde die UdSSR mit ihren Verbündeten noch existieren, hätten
es die USA zum Beispiel wohl kam gewagt, den Irak zu überfallen, noch hätten sie
all die anderen Akte der Mißachtung des Völkerrechts, des Bruchs von Verträgen,
von eingegangenen Verpflichtungen usw. derart hemdsärmelig begehen können, wie
dies jüngst wiederholt geschehen ist; noch hätte, um auch dies hinzuzufügen,
jene "liberalistische Offensive" stattfinden können, die soziale Grundrechte und
Standards zunehmend aushöhlt und alles dem "shareholder value" unterordnet.
Im Vergleich mit dem, was wir in jüngster Zeit erlebt haben und womöglich
künftig noch alles erleben werden, könnten einem die durchaus nicht
spannungsfreien Jahre des "Kalten Krieges" fast wie ein Zeitalter
internationaler Stabilität erscheinen, weil sich die beiden Hauptkontrahenten
jener Jahrzehnte, die USA und die UdSSR, stets als "berechenbar" erwiesen -
jedenfalls aus der Rückschau.
Heute dagegen haben wir es mit einer einzigen militärisch weit überlegenen, aber
politisch nicht berechenbaren Weltmacht zu tun, die allein bestimmen will, wie
die "neue Weltordnung" auszusehen hat. Aus dieser Situation dürften sich viel
weiter reichende Folgen für die gesamte Weltentwicklung ergeben, als sie alle
anderen Ereignisse seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts hatten, auch als die
beiden Weltkriege.
Ein kurzer Blick auf die derzeitigen Positionen der anderen bedeutenden Staaten
in den internationalen Kräfteverhältnissen zeigt folgendes Bild:
Von dem einstigen Rivalen der USA, der UdSSR, ist das auf sein Kerngebiet
reduzierte Rußland verblieben, das zwar einige militärische "Insignien der
Macht" behalten hat, dessen internationale Position jedoch zunächst durch die
nach der Auflösung der UdSSR im Jahre 1991 entstandene politische Instabilität
geschwächt wurde und das in seiner ökonomischen Entwicklung innerhalb weniger
Jahre um Jahrzehnte zurückgefallen ist.
In Westeuropa hat sich mit der EU eine zwar immer größer werdende
Staatengruppe formiert, doch mit der "Erweiterung" treten auch stärker
unterschiedliche Interessen hervor, so daß die zahlenmäßige Vergrößerung mit
ziemlicher Sicherheit noch mehr Probleme mit sich bringen wird als die
bisherigen, die schon mit weniger Mitgliedsländern nicht gelöst werden konnten,
von den Differenzen hinsichtlich der Haltung gegenüber den USA ganz abgesehen.
Es ist sehr zu bezweifeln, ob "Europa" (die EU) jemals ein so einheitliches
Gebilde wird, daß es willens und in der Lage sein könnte, gerade gegenüber den
USA mit einer Stimme zu sprechen.
Japan wurde vor nicht langer Zeit als eines der drei imperialistischen
Zentren genannt. Davon ist in der Realität nicht viel übrig geblieben. Es spielt
in der internationalen Politik faktisch keine aktive Rolle, folgt im
wesentlichen der Linie der USA. Außerdem ist es durch die Entwicklung seit Mitte
der 90er Jahre ökonomisch geschwächt. Als ein "Stern erster Ordnung" dürfte
Japan auf längere Sicht aus dem Rennen sein.
Mit China sieht dies anders aus. China ist eine aufstrebende Macht, die
im Laufe einer ziemlich langen Zeit eine Weltmacht werden könnte. Es hat alle
potenziellen Voraussetzungen dafür, ist aber gegenwärtig noch zu schwach, um
international eine einflußreiche Rolle spielen zu können, nicht nur wegen seiner
sehr begrenzten militärischen Stärke und Aktionsfähigkeit, sondern vor allem
wegen seines noch sehr niedrigen ökonomischen Entwicklungsniveaus und der
zahlreichen inneren Probleme.
So ist, wie man es auch immer betrachtet, das politisch-militärische
Kräfteverhältnis auf der Erde derzeit so deutlich wie niemals zuvor in der
Neuzeit durch die Dominanz einer einzigen Macht gekennzeichnet, ohne daß die
Aussicht besteht, daß den USA in absehbarer Zeit ein Rivale erwächst, von einer
gesellschaftlichen Alternative zum Kapitalismus ganz zu schweigen.
Soweit ein kurzer Überblick. Die internationalen Kräfteverhältnisse, wie sie
sich in der Gegenwart herausgebildet haben, erfordern aber doch noch eine etwas
differenziertere Betrachtung. "Ausrechnen" lassen sich die Positionen der
einzelnen Mächte ohnehin nicht, denn sie sind (und bleiben dies auch in Zukunft)
eine komplexe Bewegung, die sich aus dem Zusammenwirken zahl-reicher
Einflußgrößen ergibt.
Kräfteverhältnisse im Zeichen der Globalisierung
Vor hundert Jahren mag es noch genügt haben, die Größe der Armeen und ihre
Bewaffnung, ferner die Kohleförderung, die Rohstahlerzeugung und wenige weitere
Angaben zu vergleichen, um die jeweiligen Kräfteverhältnisse zu kennzeichnen.
Auch heute ist eine der dabei zweifellos wichtigen Kennziffern die Summe aller
erzeugten Waren und Dienstleistungen, ausgewiesen als Bruttoinlandsprodukt.
Doch in der Gegenwart gründet sich die Position eines Landes (oder die einer
Gruppe von Ländern) noch auf andere Größen, darunter vor allem auf die Stellung,
die sie in der wissenschaftlich-technischen Entwicklung einnehmen, und auf ihren
Platz im Prozeß der Globalisierung, also in den vor allem vom großen Kapital
dominierten internationalen Wirtschaftsbeziehungen.
Um eine Vorstellung davon zu gewinnen, wie ungleich die Kräfteverhältnisse in
der Weltwirtschaft derzeit sind, seien nachstehend (Tab. 1) zunächst einige
Daten über die Entwicklung des "Weltprodukts" und der Bruttoinlandsprodukte
einiger Regionen und Länder im Zeitraum 1980-2000 genannt.1
Tab. 1: Weltwirtschaftliche Kräfteverhältnisse 1980 -
2000 |
|
Bruttoinlandsprodukt ges. |
Bruttoinlandsprod. je Einwohner |
|
1980 |
2000 |
JD |
1980 |
2000 |
JD |
Welt |
11.590 |
20.260 |
2,8 |
2.610 |
3.340 |
1,2 |
IL |
7.730 |
12.880 |
2,6 |
10.460 |
15.060 |
1,8 |
USA |
2.690 |
4.800 |
2,9 |
11.670 |
16.830 |
1,8 |
Japan |
1.060 |
1.720 |
2,4 |
9.070 |
13.530 |
2,0 |
W.Europa |
3.540 |
5.480 |
2,2 |
10.120 |
14.090 |
1,7 |
(BRD) |
810 |
1.350 |
2,6 |
13.210 |
16.440 |
1,1 |
EL |
2.340 |
4.530 |
3,4 |
1.000 |
1.270 |
1,2 |
China |
300 |
1.900 |
9,7 |
300 |
1.490 |
8,3 |
SU |
920 |
740 |
-1,1 |
3.460 |
2.540 |
-1,5 |
Weil sich die Bevölkerungzahl der
Entwicklungsländer während der genannten Zeit wesentlich schneller vergrößert
hat als die der Industrieländer (und noch immer wesentlich schneller wächst) -
sie erhöhte sich von 1980 bis 2000 um 1,23 Milliarden Menschen (um 52,8
Prozent), während sie in den Industrieländern nur um 15,7 Prozent (um wenig mehr
als 100 Millionen Menschen) zunahm - , ist der Abstand im ökonomischen
Entwicklungsniveau (gemessen am Bruttoinlandsprodukt je Einwohner) zwischen
Industrieländern und Entwicklungsländern auch in den beiden letzten Jahrzehnten
des 20. Jahrhunderts weiter angewachsen, hat sich die "Kluft" zwischen beiden
Ländergruppen immer weiter geöffnet - im Durchschnitt, bei erheblichen
Differenzierungen.
Die Angaben der Tabelle 1 weisen noch auf andere Entwicklungen hin, die sich auf
die Kräfteverhältnisse in der Weltwirtschaft auswirken. Dies gilt vor allem für
das außerordentlich schnelle Wirtschaftswachstum in China (auch wenn das dort
erreichte ökonomische Entwicklungsniveau den Durchschnitt der Entwicklungsländer
kaum überschritten hat und noch immer weit hinter dem der Industrieländer
zurückbleibt), sowie für den "Einbruch" in der Entwicklung der früher die UdSSR
bildenden Staaten.
Was die wissenschaftlich-technische Entwicklung betrifft, so stehen auch auf
diesem für die gesamte wirtschaftliche Entwicklung und darüber hinaus auch für
die militärische Macht entscheidenden Gebiet die USA eindeutig an der Spitze.
Sie haben sämtliche Rivalen weit hinter sich gelassen. Ein Beispiel dafür ist
die militärisch außerordentlich wichtige internationale
Kommunikati-onstechnologie:
- Der USA-Konzern Microsoft hat auf diesem Gebiet mit seinem Betriebssystem
"Windows" und den damit verbundenen Anwenderprogrammen nahezu ein Weltmonopol.
- Der größte und geheimste aller USA-Geheimdienste, die National Security Agency
(NSA) ist, wie man lesen kann, technisch in der Lage, bis in den letzten Winkel
der Erde hineinzuhorchen, jeden Computer anzuzapfen, der sich im online-Betrieb
befindet, und auch jedes "SMS" auf jedem Mobilphone/Handy mitzulesen, wo immer
es sich befinden möge.
- Wie groß die Überlegenheit der USA in der wissenschaftlichen Forschung ist,
läßt sich auch an der Zahl der Nobelpreisträger ablesen: Von den etwa 300
Preisträgern der Jahre 1950-2000 in den drei naturwissenschaftlichen Disziplinen
Physik, Chemie und Medizin werden fast 60 Prozent unter "USA" bzw. auch unter
"USA" ausgewiesen.
In diesem Zusammenhang darf übrigens nicht vergessen werden, an die Vorteile zu
denken, die sich die USA durch Abwerbung von wissenschaftlichen Spitzenkräften
aus anderen kapitalistischen Ländern und mit dem "brain drain" aus
Entwicklungsländern verschafft haben.
Eine solche Dominanz eines einzelnen Landes auf einem für jegliche Entwicklung
entscheidenden Gebiet hat es bisher noch niemals gegeben. Es scheint also, als
seien die USA auch in der Weltwirtschaft deutlich in der "Vorhand". Diese ist
heute freilich eine völlig andere als zu Beginn des vorigen Jahrhunderts, und
damit kommt noch ein Problem hinzu, das inzwischen eine viel größere Bedeutung
hat als in früheren Zeiten:
Die für solche Vergleiche verwendeten Statistiken sind nach Staaten gegliedert.
Doch das Kapital internationalisiert sich immer mehr. So gibt es zwar noch die
Wirtschaft in den Grenzen der einzelnen Staaten (insoweit diese Wirtschaft der
Gesetzgebung des jeweiligen Staates unterliegt), aber es ist dann längst keine
"deutsche", "französische" oder "USA"-Wirtschaft mehr,
weil alle Länder der Erde durch Kapitalexport und -import weltweit mehr oder weniger eng
verflochten sind, mit unzähligen Kreuz- und Querverbindungen, durch die ein kaum noch zu
entwirrendes Netz von Beteiligungen entstanden ist, dessen wirklicher Umfang nur
unvollkommen erschlossen werden kann.
In einer Zeit des weitgehend unbeschränkten Verkehrs von Waren,
Dienstleistungen, Kapital, Profit und auch von Arbeitskräften im Weltmaßstab
(mit nur relativ wenigen die Expansion des Kapitals hemmenden Grenzen) ist es
daher immer weniger möglich, die ökonomische Entwicklung nur bestimmten Staaten
zuzuordnen. Es wäre also eigentlich eine "zweite Landkarte" notwendig, die neben
der Darstellung der ökonomischen Kräfteverhältnisse nach Staaten auch diejenigen
nach Konzernen bzw. Konzerngruppen sichtbar macht. Es bedarf keiner Erläuterung,
daß dies allein aus Quellengründen kaum möglich ist. Also ist der Rückgriff auf
die Darstellung von Kräfteverhältnissen nach Staaten allenfalls ein Notbehelf.
Das große Kapital hat inzwischen im Weltmaßstab ein Konzentrations- und
Zentralisationsniveau und einen Grad von internationaler Verflechtung und
Glo-balisierung erreicht wie niemals zuvor, ist Haupttriebkraft und
Hauptnutznießer der sich mit hohem Tempo fortsetzenden
wissenschaftlich-technischen Revolution und hat die Prinzipien des
Neoliberalismus nahezu weltweit durchgesetzt.
Unter diesen Bedingungen hat die Globalisierung - als die bisher höchste Stufe
der Internationalisierung der Wirtschaft - besonders durch die Entwicklung im
letzten Teil des 20. Jahrhunderts ein bis dahin nicht gesehenes Niveau erreicht.
Gegenüber der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zeigt sich bei einem Vergleich des
Entwicklungstempos von "Weltprodukt" und Welthandel, daß der Welthandel bis zum
Jahre 2000 gegenüber 1913 doppelt so schnell angewachsen ist wie das
"Weltprodukt". In welchem Tempo die Globalisierung gegenwärtig fortschreitet,
ist neueren Angaben der UNCTAD zu entnehmen.2
Danach vergrößerte sich von 1982 bis zum Jahre 2001 (alles in jeweiligen
Preisen) der Welthandel mit Waren und Dienstleistungen auf das 3,6-fache, das
Bruttoprodukt ausländischer Tochtergesellschaften auf das 5,9-fache, der Bestand
an Direktinvestitionen im Ausland aber auf das 12-fache. Diese globalen Angaben
verdecken jedoch, daß diese Globalisierung in der Tendenz zum Vorteil der
ökonomisch stärksten Länder vor sich geht.
USA - stark und schwach zugleich?
Die USA spielen auch bei dieser
Entwicklung die führende Rolle, allein deshalb, weil sie für das internationale
Kapital eine Art "Schutzmacht" sind und mit ihrer Stellung als Weltmacht
wesentlich dazu beitragen, den Bestand des gegenwärtigen Kapitalismus zu
sichern. Doch dabei geraten sie gerade in letzter Zeit immer mehr in die
"Bredouille", und zwar sowohl im Innern als auch nach außen, denn auch die USA
leben - wie viele andere Staaten - seit langem über ihre Verhältnisse. Und weil
sie besonders groß und stark sind, leben sie besonders stark über ihre
Verhältnisse:
Ihre innere Verschuldung wächst stetig an. Die öffentliche Schuld der USA
hat sich von erst 908 Milliarden US-Dollar im Jahre 1980 auf 5.674 Milliarden
US-Dollar im Jahre 2000 mehr als versechsfacht. Nachdem während der Amtszeit von
Präsident Clinton eine Verbesserung der Salden des Staatshaushalts erreicht
werden konnte, entsteht nun wieder - verursacht vor allem durch die Kosten für
Militarisierung und die Kriegführung gegen Afghanistan und Irak - ein sich von
Jahr zu Jahr vergrößerndes Defizit, das im Haushaltsjahr 2002/2003 nach ersten
Schätzungen ca. 455 Milliarden US-Dollar erreichen könnte. Schon im
Haushaltsjahr 1999/2000 mußten für die seinerzeit aufgelaufenen Staatsschulden
nicht weniger als 362 Milliarden US-Dollar Zinsen gezahlt werden.3
Es ist also keineswegs so, daß die USA den Krieg gegen Irak und seine
Folgekosten "aus der Portokasse" finanzieren können, wie vor einiger Zeit noch
zu lesen war.4
Um die weltwirtschaftlichen Beziehungen der USA steht es noch
ungünstiger: Auf den ersten Blick scheinen sie auch dabei überall
Spitzenpositionen einzunehmen. Ihr Warenexport ist bedeutend größer als der
aller Konkurrenten, das Gleiche gilt für ihre Kapitalanlagen im Ausland. Doch
bei den internationalen Wirtschaftsbeziehungen sind nicht so sehr die absoluten
Zahlen von Bedeutung als vielmehr die Salden, die sich aus der Entwicklung des
Verhältnisses zwischen dem Export und dem Import von Waren, Kapital usw.
ergeben. Und in dieser Beziehung ist die Situation für die USA alles andere als
vorteilhaft (vgl. Tab. 2):
Im Außenhandel sind die USA zwar weniger als z.B. die BRD und andere
EU-Länder vom Absatz auf den äußeren Märkten abhängig, denn das Verhältnis des
Warenexports zum Bruttoinlandsprodukt betrug (nach Angaben für das Jahr 2000)
für die USA nur 7,3 Prozent, für Japan 10,1 Prozent, für die BRD dagegen 29,5
Prozent. Doch die USA importieren im Vergleich mit dem Export immer mehr Waren,
so daß sich ihre Außenhandelsbilanz in der Tendenz erheblich verschlechtert hat
(Salden in Milliarden US-Dollar):5
Tab. 2: USA, Japan, BRD:
Außenhandelsbilanz (Salden) 1981-2000 (Mrd. US-Dollar) |
Zeitraum |
USA |
Japan |
BRD |
1981-1985 |
-366 |
+169 |
+108 |
1986-1990 |
-658 |
+424 |
+343 |
1991-1995 |
-637 |
+636 |
+205 |
1996-2000 |
-1423 |
+547 |
+348 |
In den ersten beiden Jahren dieses
Jahrhunderts (2001 und 2002) hat das Außenhandelsdefizit der USA zusammen sogar
bereits 794 Milliarden US-Dollar erreicht.6
Die Kapitalverflechtung mit der übrigen Welt hat sich für die USA
ebenfalls ungünstig entwickelt. Zwar hatten die Direktinvestitionen der USA im
Ausland Ende 2000 einen Anteil von 40 Prozent an diesen Kapitalanlagen aller
Länder der Erde, doch aus dem Netto-Kapitalexportland USA früherer Jahrzehnte
ist inzwischen ein Netto-Kapitalimportland geworden (Milliarden US-Dollar am
Jahresende), wie Tabelle 3 zeigt.7
Zum Vergleich: Der Bestand an Direktinvestitionen im Ausland betrug Ende 2000
für Großbritannien 901 Milliarden US-Dollar, für die BRD (1999) 422 Milliarden
US-Dollar sowie für Japan 278 Milliarden US-Dollar. Für die USA hat sich der
Saldo sogar bei den Direktinvestitionen umgekehrt, so daß es En-de 2000 mehr
ausländische Direktinvestitionen in den USA als Direktinvestitionen der USA im
Ausland gab.
Tab. 3: USA - Kapitalexport
und -import 1980-2000 (Mrd. US-Dollar) |
|
Kapitalanlagen gesamt |
darunter: Direktinvestitionen |
Jahr |
Saldo |
USA im Ausland |
Ausländ. in USA |
Saldo |
USA im Ausland |
Ausländ. in USA |
1980 |
+254 |
755 |
501 |
+132 |
215 |
83 |
1985 |
+97 |
1.303 |
1.206 |
+166 |
386 |
220 |
1990 |
-165 |
2.294 |
2.495 |
+192 |
732 |
540 |
1995 |
-418 |
3.874 |
4.292 |
+301 |
1.307 |
1.006 |
2000 |
-2.187 |
7.190 |
9.377 |
-269 |
2.468 |
2.737 |
Nimmt man alles zusammen, so zeigt
sich, daß selbst für ein so mächtiges Land wie die USA in der Weltwirtschaft
"die Bäume nicht in den Himmel wachsen", auch wenn sie dort nach vielen
Kriterien an der Spitze stehen. Die Außenwirtschaftsbeziehungen sind also eine
Art "Achillesferse" der Weltmacht USA, wie sich in den kommenden Jahren noch
stärker zeigen wird, da sich an den genannten Tendenzen so schnell nichts ändern
dürfte.
Eines der die USA betreffenden aktuellen Probleme ist bisher noch nicht ein-mal
erwähnt worden: Ihre wachsende Abhängigkeit vom Energieimport, vor allem vom
Erdölimport. Auf die USA entfielen im Jahre 2000 nicht weniger als 25,0 Prozent
des Weltverbrauchs von Erdöl, aber nur 9,9 Prozent der Förderung, und die USA
verfügen nur über ganze 2,1 Prozent der Weltreserven an Erdöl.8
Der Anteil des Imports am Verbrauch von Erdöl ist von 1960 bis 2000 von 17,8
Prozent auf nicht weniger als 62,1 Prozent angestiegen.9
Dieser wachsenden Importabhängigkeit steht eine maßlose Verschwendung von
Energie gegenüber: Im Jahre 2000 wurde in den USA mit 13 843 kWh je Einwohner
mehr als doppelt soviel Elektroenergie verbraucht wie im Durchschnitt aller
anderen OECD-Länder.10
Durch den "großen Blackout" am 14. August 2003 ist sichtbar geworden, wie es um
die Infrastruktur der Energie-wirtschaft in den USA steht. Das marode Stromnetz
ist dabei nur ein Beispiel für den Widerspruch zwischen der höchstentwickelten
Militärtechnologie dieses Landes und seiner anfälligen Alltagstechnik.
Wenn man sich also die verschiedenen Seiten der internationalen
Kräfteverhältnisse ansieht, könnte man sogar auf den Gedanken kommen, als sei
die militärische Macht der USA die einzige wirkliche Stütze ihrer
Weltmachtposition, mit deren Hilfe allein sie anderen Staaten ihren Willen
oktroyieren wollen, und die ihnen auch dazu dient, der Welt weiszumachen, daß
angeblich alle übrige Welt von den USA abhänge, während sich das Welt-Karussell,
jedenfalls was die Weltwirtschaft angeht, vielleicht doch anders herum dreht und
andere Länder eher ohne die USA als die USA ohne die anderen Länder leben
könnten.
Perspektiven
Dieser kurze Beitrag konnte die
internationalen Kräfteverhältnisse nur so darstellen, wie sie sich gegenwärtig
zeigen. Auch wenn der weitere Verlauf der Geschichte der Menschheit nicht
vorhersagbar ist, erscheint es gerechtfertigt, von der Annahme auszugehen, daß
die internationale Situation noch auf lange Zeit durch die Dominanz der USA
gekennzeichnet sein wird. Sie werden die einzige Weltmacht bleiben, und allein
deshalb muß die weitere Weltentwicklung mit Sorge betrachtet werden. Selbst wenn
die USA nicht alle ihre Ziele erreichen können - weil auch die Kräfte der
größten Macht nicht unerschöpflich sind und weil der "Rest der Welt" sich nicht
völlig willenlos den USA-Ambitionen fügen wird -, werden sie dem Weltgeschehen
in den kommenden Jahrzehnten ihren Stempel aufdrücken bzw. alle Anstrengungen
dazu unternehmen.
Die weitere Weltentwicklung wird sich jedoch künftig unter Bedingungen
vollziehen, die sich von den in der jüngsten Vergangenheit bestehenden deutlich
unterscheiden und die sie in der Tendenz beeinträchtigen, sie anfälliger und
damit unsicherer machen werden. Ohne allzu sehr in die Details zu gehen, soll
hier nur auf einige der sich verschärfenden Probleme hingewiesen werden:
Wachsende Kluft zwischen Industrie- und Entwicklungsländern
Die Kluft im ökonomischen Entwicklungsniveau zwischen Industrieländern und der
Mehrzahl der Entwicklungsländer wird sich aus zwei Gründen mit sehr hoher
Wahrscheinlichkeit weiter vergrößern: Die Entwicklungsländer werden - von
wenigen Ausnahmen abgesehen - aus eigener Kraft nicht in der Lage sein, ihr
ökonomisches Entwicklungsniveau wesentlich zu steigern, weil ihr
Wirtschaftswachstum auch weiterhin durch eine zu schnelle Vergrößerung der
Bevölkerung "aufgezehrt" werden wird. Nach der jüngsten UNO-Prognose wird im
Zeitraum 2000-2025 die Bevölkerungszahl der Entwicklungsländer (ohne China) um
nicht weniger als 44 Prozent (um mehr als anderthalb Milliarden Menschen!)
anwachsen, die Bevölkerungszahl in den Industrieländern dagegen nur um 10
Prozent (um noch nicht einmal hundert Millionen Men-schen).
Der zweite Grund dafür, von einer weiteren Vergrößerung der "Kluft" zwischen
beiden Ländergruppen auszugehen, ist der, daß die Industrieländer alles in ihrer
überlegenen wirtschaftlichen und politischen Macht Liegende tun werden, um die
Entwicklung der Weltwirtschaft ihren eigenen Interessen entsprechend zu
gestalten. Die jüngste Tagung der Welthandelsorganisation (WTO) in Cancún/Mexiko
hat dies erneut mit aller Deutlichkeit gezeigt. Die Folge wird sein, daß die
allgemeinen Voraussetzungen für Entwicklung (wie z.B. das Bildungs- und
Gesundheitswesen) in vielen Entwicklungsländern ungenügend bleiben.
Zunehmende Umweltprobleme
Eine weitere im Vergleich mit dem vorigen Jahrhundert zu konstatierende und
weiter anhaltende Veränderung besteht darin, daß sich die allgemeinen
Lebensbedingungen der Menschheit (ihre "Umwelt" im weitesten Sinne) in der
Tendenz verschlechtern und daß davon vor allem die ärmeren Länder (d.h. viele
Entwicklungsländer) betroffen werden (z.B. durch zunehmende Verwüstung bzw.
Versteppung, durch Knappheit von Trinkwasser, durch mit weiterhin verbreiteter
Armut zusammenhängende unhygienische Verhältnisse usw.).
Die zu erwartende Verschlechterung der allgemeinen Entwicklungsbedingungen
unterscheidet sich übrigens wesentlich von der Weltsituation, in der frühere
Veränderungen der Kräfteverhältnisse vor sich gingen. Sie spielten seinerzeit
noch keine oder keine wesentliche Rolle dafür bzw. waren, obwohl sie sich
bereits andeuteten, über einen relativ engen Kreis von Fachleuten hinaus noch
nicht in das Bewußtsein der Öffentlichkeit gedrungen, oft auch noch nicht einmal
in das Bewußtsein der jeweiligen so genannten "politischen Klasse". Seit wann
gibt es den Begriff "Umwelt", seit wann sind Armut und Hunger in weiten Teilen
der Welt ein "Thema" - um nur diese Beispiele zu nennen?
Ressourcenverbrauch und -konflikte
Und schließlich werden die der Menschheit für ihr Leben und ihre Entwicklung zur
Verfügung stehenden materiellen Ressourcen in verschiedenen Bereichen zunehmend
knapper, und zwar auch unter der Voraussetzung, daß dieser Tendenz durch
Erfindergeist und Sparsamkeit entgegen gewirkt werden kann. Um eine Vorstellung
von den Konsequenzen anhaltenden weltweiten Wirtschaftswachstums zu gewinnen:
Wenn das "Weltprodukt" im ersten Viertel dieses Jahrhunderts im gleichen Tempo
wächst wie im Zeitraum 1980-2000 (im Jahresdurchschnitt um 2,8 Prozent - was
aber eine ziemlich gewagte Annahme sein dürfte), dann ergäbe sich daraus bis zum
Jahre 2025 eine Verdoppelung des "Weltprodukts".
Und auch, wenn man annimmt, daß der Materialverbrauch und die Umweltbelastung je
Einheit "Weltprodukt" in der Tendenz abnehmen, stellt sich die Frage, ob die
Erde eine solche Quantität des wirtschaftlichen Wachstums überhaupt noch tragen
kann. Es gibt Wissenschaftler, die die ökologische Belastungsgrenze bereits für
überschritten halten. Nach Angaben des "World Wide Fund for Nature" (WWF) wurde
allein zwischen 1970 und 2000 (also innerhalb von nur drei Jahrzehnten) ein
Drittel aller auf der Erde verfügbaren Bodenschätze und Rohstoffe verbraucht.11
Wenn man die in der gesamten bisherigen Menschheitsgeschichte bis 1970 und die
jetzt vom Jahre 2000 an verbrauchten Ressourcen hinzurechnet, gewinnt man eine
Vorstellung davon, daß es allmählich wirklich knapp werden könnte mit dem, was
der Menschheit zur Verfügung steht.
Weiteres Wachstum der Weltwirtschaft in der genannten Größenordnung bedeutet
übrigens nicht nur, daß ein immer größerer Teil von den noch auf der Erde zur
Verfügung stehenden nicht erneuerbaren Ressourcen verbraucht wird. Es bedeutet
auch, daß all die Übel, die die Welt schon heute plagen, weiter um sich greifen
werden. Und wie schwierig künftig die ökonomische Situation des einen oder
anderen Industrielandes auch sein oder werden mag (selbst die der Weltmacht
USA), am schwierigsten ist und bleibt die Lage allemal für viele
Entwicklungsländer.
Je mehr Jahre in diesem neuen Jahrhundert vergehen, desto schärfer wird deshalb
auch der Kampf um die Kontrolle der Ressourcen und ihre Verteilung werden, zumal
das internationale politisch-militärische Kräfteverhältnis zunächst auf eine
unabsehbare Zeit durch die Dominanz der USA gekennzeichnet sein wird. Es kann
keinem Zweifel unterliegen, daß sie diese Position bei allen ihren Aktivitäten
nutzen werden, um sich den Zugriff auf die Weltressourcen zu sichern, ob im
Kongo oder im Irak. Wie werden es wohl die USA als der größte
Ressourcenverschwender und Umweltverschmutzer (z.B. bei der Emission von
Kohlendioxid) anstellen, zu den für ihre Wirtschaft notwendigen Roh- und
Brennstoffen zu gelangen, wenn diese auf dem eigenen Territorium nicht mehr
verfügbar sind? Wenn der weltweite Verteilungskampf an Schärfe zunimmt, wird
dies auch die weitere Entwicklung der Kräfteverhältnisse beeinflussen - auf eine
Weise, die sich weder im Großen und Ganzen noch im Detail prognostizieren läßt.
Fazit
Was stellt sich schon bei einer kurzen
Betrachtung der jüngsten Weltentwicklung heraus? Die internationalen
Kräfteverhältnisse mit den USA als einziger Weltmacht werden, soweit sich
voraussehen läßt, wohl nie mehr so sein wie früher. Sie werden nicht mehr so
sein wie vor 1990, als es noch einen sozialistischen "Gegenpol" gab, für dessen
baldige "Neuauflage" keinerlei Anhaltspunkte bestehen. Und sie werden auch nicht
mehr so sein wir vor 1917, als sich keine von mehreren imperialistischen Mächten
in einer so herausragenden Position befand wie gegenwärtig die USA.
Wenn wir uns heute mit Kräfteverhältnissen beschäftigen, dann ergibt sich nach
meiner Meinung noch eine weitere Schlußfolgerung: Das gegenwärtige
weltumspannende kapitalistische System hat seine Entwicklungsmöglichkeiten
offensichtlich noch immer nicht erschöpft, zumal ihm durch den Zusammenbruch des
Realsozialismus sowjetischer Prägung sogar noch neuer Expansionsraum
hinzugewachsen ist. Welche Konsequenzen dies für die künftige Entwicklung der
Kräfteverhältnisse haben wird, läßt sich nicht vorhersagen. Als auch auf diesem
Feld "gebrannte Kinder" sollten wir jegliche Analyse der bestehenden
Weltverhältnisse mit größter Sorgfalt betreiben, sie niemals wieder politischen
Zweckmäßigkeiten unterordnen und dabei auch niemals den sprichwörtlichen Finger
auf die Waage legen.
1
Eigene Berechnung nach UNO-Veröffentlichungen ("Trends in International
Distribution of Gross World Product", New York 1989, sowie "World Population
Prospects", New York 1998 bzw. 2002). Die Entwicklung der Bruttoinlandsprodukte
wurde mit Hilfe von Angaben des IWF und der OECD fortgeschrieben. -
"Weltprodukt" bzw. Bruttoinlandsprodukte in Milliarden US-Dollar in Preisen von
1980, je Einwohner in US-Dollar in Preisen von 1980; IL = In-dustrieländer
(OECD-Länder, Mitgliedschaft in Jahre 1980); EL = Entwicklungsländer (ohne
China); SU = UdSSR bzw. Summe der Nachfolgestaaten; JD = Jahresdurchschnitt in
Prozent. Bei Westeuropa und der BRD wurde die jahresdurchschnittliche
Veränderung für 1980-1990 (ohne DDR) und für 1990-2000 (einschl. DDR) zunächst
getrennt berechnet und dann zusammengefügt.
2
World Investment Report 2002, UNCTAD, Genf und New York, S. 114.
3 The World Almanac and Book of Facts 2002, New York, S.
114.
4 Der Tagesspiegel, Berlin, vom 30.3.2003. 06.
5
International Financial Statistics Yearbook 2001 (IMF), Washington.
6
Wirtschaftswoche, Köln, vom 27.2.2003.
7
International Financial Statistics Yearbook 2001 (IMF), Washington.
8
Oeldorado 2000, Veröffentlichung von Exxon/Mobil.
9
Energy Balances of OECD Countries, IEA, Paris 2002.
10
Ebenda.
11
Berliner Zeitung vom 2./3.10.1998.
|