Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung
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  Heft 52, Dezember 2002, 13. Jhrg

Editorial

Der Schwerpunkt des vorliegenden Heftes ist der aktuellen Diskussion um "Imperialismus" gewidmet. Diese Diskussion hat durch die Hegemonialpolitik der USA - zuletzt durch die Kriegsdrohung gegen den Irak - neuen Anschub bekommen, ebenso durch die offenen Fragen der theoretischen Fassung
der als Globalisierung bezeichneten Intemationalisierungsprozesse. Letztere waren in den zurückliegenden Heften von „Z" Gegenstand einer ganzen Reihe von Beiträgen mit z.T. sehr unterschiedlichem konzeptionellem Zugang. Auch in diesem Heft werden deutlich unterschiedliche Auffassungen zum Charakter des heutigen Imperialismus und zum methodischen Verfahren seiner Analyse vertreten.

Michael Krätke kritisiert die „Mythen der Globalisierung". In der Geschichte des Kapitalismus hat es verschiedene Globalisierungsschübe gegeben. Insofern ist nach den Besonderheiten der gegenwärtigen Globalisierungswelle zu fragen. Er unterstreicht die global wachsende Ungleichheit (Einkommen und Reichtum) und wendet sich gegen den „Zentralmythos" des Globalisiserungs-
diskurses, die Botschaft von der Handlungsohnmacht der Politik. Georges Labica empfiehlt, Lenins Imperialismus-Schrift neu und historisierend zu lesen. Der Begriff „Imperialismus" ist weiterhin „Leitbegriff einer begrifflichen Konstellation, in der ... Kapitalismus, Ausbeutung, Eigentum, Klassen und Klassenkampf, soziale Demokratie, revolutionärer Übergang ihren ganzen Sinngehalt bewahren." Die Globalisierung der Gegenwart stellt in diesem Kontext einen „neuen 'neuen Imperialismus' " dar, der zweifellos durch die „klasssischen Merkmale" gekennzeichnet ist, aber doch geprägt durch neu
aufgetretene Phänomene: die Vorherrschaft des Finanz- bzw. spekulativen Kapitals, die technologische Revolution in den Informations- und Kommunikationstechnologien; den Zusammenbruch der sozialistischen Länder. Gretchen Binus sieht eine wesentliche Schwäche der aktuellen Globalisierungsdiskussion in der Nichtbeachtung der Rolle der international agierenden Konzerne als „Subjekte" des Internationalisierungsprozesses. Sie gibt eine Übersicht zu den international führenden Konzernen und ihren Expansionsstrategien und betont das Moment der monopolistischen Konkurrenz. Globalisierung kann, so die Autorin, ohne Beachtung des Beziehungsgeflechts von (National-)Staat und Monopolen nicht erfasst werden. In die gleiche Richtung argumentiert Rainer Perschewski, der sich mit der Stellung der EU im Rahmen der Triaden-Konkurrenz beschäftigt. Er vergleicht die Entwicklung der „Stärke" und Konkurrenzbeziehungen der drei Zentren anhand einschlägiger Wirtschaftsindikatoren; er misst dabei den transnationalen Konzernen aus dem EU-Raum eine gewachsene Bedeutung zu. Der kanadische Marxist Leo Panitsch plädiert für eine neue Imperialismustheorie, die den kapitalistischen Staat als Urheber der Globalisierung identifiziert. Der Zustand des heutigen globalen Kapitalismus könne ohne die hegemoniale Rolle des US-amerikanischen Staates nicht verstanden werden. Die USA sind in dieser Sicht der prototypische Globalstaat. Die Stärke des heutigen Imperialismus sieht Panitch gerade in dem hohen Maß an institutioneller und kapitalmäßiger Verflechtung zwischen den führenden kapitalistischen Staaten. Jürgen Wagner analysiert die Hintergründe der US-amerikanischen Kriegsdrohung gegen den Irak. Seiner Ansicht nach dominieren geopolitische, strategische Überlegungen zur Sicherung der Ölversorgung gegenüber den unmittelbaren Profitinteressen der beteiligten Konzerne. Ziel der USA ist die Kontrolle des Iraks als Hebel zur Schwächung der OPEC. Bernhard Taureck unternimmt den Versuch, die gegenwärtige und zukünftige Ausrichtung der Politik der USA zu fassen. Mit dem Begriff des „monopolisierten Universalismus" beschreibt er vor allem eine mögliche ideologische Absicherung ihrer Hegemonialpolitik. Nicht alle geplanten Beiträge zu dieser „Imperialismus-Diskussion" kamen für das laufende Heft zustande; sie wird, der Brisanz des Themas wegen, auf jeden Fall fortgesetzt werden.

Das letzte Heft von „Z" war Rechtstendenzen in Europa gewidmet. Mit dem Aufkommen rechter Tendenzen in Literatur und Kunst beschäftigen sich in diesem Heft die Aufsätze einer Hamburger Arbeitsgruppe (Dagmar Engelken, Thomas Gondermann, Wulf. D. Hund) zu Martin Walser. Reiner Diederich problematisiert die Frage des Zusammenhangs zwischen der politischen Weltsicht des Malers Wolfgang Mattheuer - seiner Affinität zu neurechten Positionen - und der Autonomie seiner Kunstwerke.

Unter „weitere Beiträge" bringen wir den zweiten Teil von Andreas Wehrs Kommentaren zu Losurdo (Teil 1 in Z 49). Harald Neubert erinnert an Hand des soeben erschienenen Buches von Erich Hahn an die SED-SPD-Gespräche zwischen 1984 und 1989. Marcello Firpo gibt einen Einblick in die Lebens- und Klassenverhältnisse Brasiliens unter dem Einfluss der Globalisierung. Es folgen Berichte sowie Rezensionen; beide Rubriken enthalten eine Reihe von Beiträgen, die sachlich ebenfalls zum Schwerpunkt dieses Heftes gehören.

Z 53 (März 2003) wird aktuelle Politikfelder unter Krisenbedingungen thematisieren: Geplant sind u.a. Beiträge zum Berliner Bankenskandal, zu betrieblichen Diskussionen und Erfahrungen mit den Vorschlägen der Hartz-Kommission und zur gesellschaftlichen Orientierung von Jugendlichen.

Die in Frankfurt/M. ansässige Heinz-Jung-Stiftung hat es möglich gemacht, eine Bibliographie der Veröffentlichungen von Heinz Jung zu erstellen. Mike Carrie und Mark Seeger haben sie zusammengestellt. Sie liegt diesem Heft bei. Wir sind sicher, dass sie das Interesse der Leserinnen und Leser von Z finden wird.
 
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