Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung
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  Heft 50, Juni 2002, 13. Jhrg

Editorial

Als „Z" 1990 gegründet wurde, war die „bipolare Weltordnung" nur noch scheinbar intakt. Tatsächlich war sie schon längst unterminiert. Und damit auch jenes System der globalen Machtbalance, das einerseits das Wettrüsten hervorbrachte (einer der Faktoren, der auch zum Zusammenbruch des Realsozialismus führte), das andererseits aber auch eine relative Friedenssicherung garantierte und für Befreiungsbewegungen und die Länder der Dritten Welt politischen Spielraum schaffte. Heute, in der unipolaren Welt, ist der Frieden nicht sicherer, die globalen Widersprüche zwischen kapitalistischen Zentren und Peripherie eskalieren, die wirtschaftliche und militärische Dominanz des US-Empires ist gewachsen, das nach dem Zweiten Weltkrieg etablierte System internationaler Friedenssicherung wird schrittweise demontiert. Das Ende der Nachkriegszeit und des Kalten Krieges hat sich auch für die Bundesrepublik als Eintritt in eine neue Epoche des Krieges entpuppt. Krieg und Frieden müssen neu thematisiert werden. Dem sind die ersten Beiträge von Z 50 gewidmet.


Werner Ruf
skizziert die Demontage des Systems der Vereinten Nationen nach 1990. Als Zäsur erweist sich dabei die Proklamierung des „Rechts auf humanitäre Intervention" nach dem 2. Golfkrieg. Die verbliebene Supermacht setzt heute faktisch ein „Recht auf Kriegführung" durch. Sie hat es mit ihren Verbündeten im Jugoslawien-Krieg und nach dem 11. September 2001 exekutiert und mit der Ausrufung des „Kriegs gegen den Terrorismus" als große Strategie zur Sicherung ihrer Hegemonie propagiert. Intellektuelle Gegenkräfte und Friedensbewegungen erweisen sich bisher als schwach. Lothar Peter analysiert die Argumentation führender Intellektueller der USA und Europas zum Zusammenhang von Terrorismus und Krieg. Johannes M. Becker fragt nach der aktuellen Verfassung der Friedensbewegung und den Ursachen für ihre Schwäche. Knut Krusewitz zeigt, wie der Umbau der Bundeswehr zu einer Interventionsarmee zum Thema einer regionalen Friedensinitiative geworden ist. Das Thema Krieg/Frieden wird auch in den folgenden Heften von „Z" Gegenstand von Einzelbeiträgen sein.


In den beiden folgenden Themenblöcken des vorliegenden Heftes dominieren Fragen, die sich auf den Kapitalismus der Bundesrepublik und eine Bilanz der Steuer- und Sozialpolitik im Vorfeld der Bundestagswahlen beziehen.

Analysen zur Weltwirtschaft und zur Konjunkturentwicklung in der Bundesrepublik gehören zum festen Bestand unserer Berichterstattung. Als Besonderheiten des mit der gegenwärtigen Krise abgeschlossenen Weltwirtschaftszyklus konstatiert Jochen Höhme eine deutliche Angleichung des Zyklus in den Ländern des Triade-Kapitalismus, wobei die weltwirtschaftliche Dominanz der USA in den letzten zehn Jahren (seit der Krise 1992/93) deutlich zugenommen hat. Für die Bundesrepublik sind eine große Schwäche der Binnennachfrage - Folge von Reallohnsenkungen, Kosten der Arbeitslosigkeit, des Sparkurses der Bundesregierung und einer enormen steuerpolitischen Umschichtung von der Lohn- zur Gewinnquote -, gewachsene Exportabhängigkeit und zunehmendes Zurückbleiben der ostdeutschen Wirtschaft charakteristisch. Perspektivisch wird höchstens eine langsame konjunkturelle Belebung im zweiten Halbjahr erwartet. Heinz-J. Bontrup setzt seine kürzlich in den WSl-Mitteilungen veröffentlichte Profitraten-Analyse mit einer Untersuchung zur Entwicklung der gestiegenen Kapitalrenditen in den 90er Jahren fort. Gert Hautsch untersucht Ursachen und medienpolitische Auswirkungen des Zusammenbruchs des Kirch-Konzerns. Es folgen „Bilanzen" zur sozialdemokratisch-grünen Steuerpolitik (Ralf Wehner) und zu ihren Auswirkungen auf die Kommunalfinanzen (Rudolf Hickel), zur Arbeitsmarktpolitik (Axel Gerntke) und zur Gesundheitspolitik (Wolfram Burkhardt/Kai Michelsen).


Unter den „Weiteren Beiträgen" wird die Diskussion zur Frage nach dem Charakter und den Besonderheiten des heutigen internationalen Kapitalismus, die mit den Globalisierungs-Schwerpunkten der letzten Z-Jahrgänge thematisiert wurde, wieder aufgenommen. Karl Unger berichtet über die Diskussion der italienischen Linken im Umfeld von „manifesto" und „Rifondazione Comunista" über Globalisierung und die Bewegung der Globalisierungsgegner. Hansgeorg Conert gibt eine kritische Bewertung zu Hardt/Negri's „Empire" und deren Kapitalismus-Verständnis (vgl. dazu auch Goldberg in Z 49). Christian Fuchs und Wolfgang Hofkirchner wenden sich im dritten (Schluss-) Teil ihrer Globalisierungs-Analyse besonders politisch-kulturellen, raumökonomischen und informationstechnologischen Aspekten zu. Vielleicht gelingt es, in Z 52 (die Redaktion hat „Imperialismus/Imperialismus-Theorie heute" als Thema ins Auge gefasst) eine Zwischenbilanz der Globalisierungsdiskussion zu ziehen. Dazu sind Diskussionbeiträge willkommen! Die Beiträge von Emmerich Nyikos (Produktion und Konsumtion) und Hermann Jacobs (Warenproduktion und Werttheorie) dürften zum weiteren Nachdenken über zentrale Kategorien marxistischer Gesellschaftsanalyse anregen.


Planung: Auf den Schwerpunkt für Z 52 ist bereits verwiesen worden. Z 51 (September-Ausgabe) wird „Rechtspopulismus in Europa" behandeln. Das Desaster der französischen Präsidentschaftswahlen mit den schweren Verlusten von Sozialdemokraten und Kommunisten hat den in Europa seit längerem zu beoachtenden Trend der Abwahl einer sich auf die „Mitte" orientierenden Sozialdemokratie und von mit ihr verbundenen Parteien und des Aufkommens nationalistischer, rassistischer und rechtspopulistischer Formationen fortgesetzt. Vorgesehen sind Beiträge zu Ursachen, Charakter und Themen des Rechtspopulismus.


Web-site (http://www.zeitschrift-marxistische-erneuerung.de) und mail-Adresse (redaktion@zme-net.de) für Bestellungen/Kommunikation werden erfreulich rege genutzt und all jenen, die sie noch nicht kennen, empfohlen.
 
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