Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung
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Heft 47, September 2001, 12. Jhrg
Andreas Wehr

Die Linken im Europäischen Parlament
 
Es kommt nicht selten vor, dass ein Anrufer, auf der Suche nach der Fraktion der Grünen im Europäischen Parlament (EP), schließlich zur Fraktion mit dem ungelenken französisch-englischen Namen „Groupe de la Gauche Unitaire Européen/Nordic Green Left“, abgekürzt GUE/NGL, verbunden wird, denn auch diese Fraktion führt das Wort Grün unübersehbar im Titel. Auch das Fraktionslogo, ein stilisiertes, aufgeklapptes Buch, ist grün und rot gehalten, wobei allerdings das Rot eindeutig überwiegt. Und dies ist ein erster Hinweis darauf, was sich hinter der auch auf deutsch nicht eben sehr eingängigen Bezeichnung „Konföderale Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nor­dische Grüne Linke“ tatsächlich verbirgt. Die nur schwer aussprechbare Abkürzung GUE/NGL steht für den Namen der Fraktion der europäischen Links­parteien, der ehemaligen bzw. noch immer sich kommunistisch nennenden Parteien sowie verschiedener linkssozialistischer Gruppierungen.

Eine Fraktion mit 42 Abgeordneten aus 10 Ländern und 15 Parteien

Es sind insgesamt 42 der insgesamt 626 Mitglieder des Europäischen Parlaments, die diese Fraktion bilden. Sie kommen aus 10 Ländern der Europäischen Union (EU) [1] und repräsentieren nicht weniger als 15 Parteien, 13 Parteien davon sind reguläre Mitglieder, von zwei Parteien – den trotzkistischen Organisationen Lutte Ouvrière (Arbeiterkampf, LO) und Ligue Communiste Révolutionnaire (Kommunistische Revolutionäre Liga, LCR) aus Frankreich – sind deren fünf Abgeordnete individuell assoziiert. Gleichfalls assoziierte Mitglieder sind die nicht im Parlament vertretene norwegische Sozialistische Linkspartei (SV) und die zypriotische Fortschrittliche Partei des Werktätigen Volkes (AKEL). [2] Aus drei Ländern – Frankreich, Italien und Griechenland – sind gleich mehrere Parteien Mitglied. Dies bedeutet aber auch, dass Parteien, die sich in ihren Heimatländern ansonsten heftig befehden, im Europäischen Parlament in einer gemeinsamen Fraktion zusammenarbeiten. Vor allem für die französischen Kommunisten ist diese Situation nicht gerade einfach, müssen sie sich doch in der Fraktion mit den Abgeordneten der LO von Arlette Laguiller und der LCR von Alain Krivine arrangieren, die in nationalen Wahlkämpfen kein gutes Haar an ihnen lassen und sie regelmäßig als Revisionisten und „Verkäufer der Arbeiterklasse“ brandmarken. Unter den acht Fraktionen des Parlaments ist die GUE/NGL die fünftstärkste, nach denen der Europäischen Volkspartei, bestehend aus Konservativen und Christdemokraten (233 Mitglieder), der Sozialdemokratischen Partei Europas (180), den Liberalen (51) und den Grünen (48), die allerdings nur aufgrund der Tatsache, dass sie Abgeordnete verschiedener regionalistischer Parteien hinzugenommen haben, vor der GUE/NGL liegen.

Die Geschichte der Fraktion spiegelt die dramatischen Umbrüche wieder, der sich die sozialistische und kommunistische Linke nach dem Ende des realen Sozialismus ausgesetzt sah. Gegründet wurde sie 1989 – neben der bereits bestehenden „Koalition der Linken“ – unter dem Namen „Vereinte Europäische Linke“, der damals vier Parteien angehörten, die damalige Italienische Kommunistische Partei, die Vereinte Linke Spaniens, die Sozialistische Volkspartei Dänemarks (SVP) und die griechische linkssozialistische Koalition der Linken und des Fortschritts/Synaspismos. Die einstige Italienische Kommunistische Partei, die heutige Democratisi di Sinistra (DS), die seinerzeit größte und gewichtigste Mitgliedspartei, wechselte jedoch schon bald in das Lager der Sozialdemokraten.

Einen Neubeginn gab es nach den Europawahlen 1994. Damals schloss sich die „Vereinte Europäische Linke“ mit der „Koalition der Linken“ zusammen, in der einstmals alle kommunistischen Parteien im Europäischen Parlament organisiert waren, und in der nach 1989 die Kommunisten Frankreichs, Portugals und Griechenlands verblieben waren. Dieser „Koalition der Linken“ gehörten übrigens auch die beiden vom Bundestag mit Beobachterstatus entsandten PDS-Europaabgeordneten an. Nach Jahren der Trennung waren somit 1994 erstmals wieder die Kräfte links von der Sozialdemokratie und den Grünen in einer Fraktion vereint. Ihre einstige Stärke aus den achtziger Jahren, als die Linke im Europäischen Parlament, geführt von den kommunistischen Parteien Italiens, Frankreichs, Spaniens und Portugals sogar zur drittstärksten Fraktion aufsteigen konnte, erreichte sie aber nicht mehr.

Mit der Erweiterung der Union um Schweden, Finnland und Österreich im Jahre 1995 kamen mit dem finnischen Linksbund und der schwedischen Linkspartei zwei Parteien hinzu, die seitdem, zusammen mit der SVP Dänemarks, als "Nordische Grüne Linke" einen eigenen Zusammenschluss in der Fraktion bilden. Das Zusammengehen dieser aus insgesamt fünf Abgeordneten bestehenden Gruppe mit der Fraktion der Vereinten Europäischen Linken stand keineswegs von Anfang an fest. Auch mit den europäischen Grünen hatte sie ursprünglich Verhandlungen über einen möglichen Beitritt geführt.

Schließlich kamen, nach den letzten Wahlen zum Europäischen Parlament 1999, die niederländische Sozialistische Partei, die griechische linkssozialistische Demokratische Sozialistische Bewegung/DIKKI und die deutsche PDS hinzu. Die ebenfalls neu in das Parlament gekommenen Abgeordneten der  trotzkistischen Organisationen LCR und LO aus Frankreich gehören der Fraktion seitdem als assoziierte Mitglieder an.

.... wie sie zusammenarbeiten

Es wäre ein Irrtum zu Glauben, dass es sich bei der GUE/NGL um eine Fraktion in einem  herkömmlichen Sinne handele. Wer ihr angehört, muss sich nicht automatisch all den Auflagen und Restriktionen unterwerfen, denen sich Parlamentarier üblicherweise konfrontiert sehen, und die sie einzuhalten haben, wollen sie nicht ihre politische Karriere oder gar ihre Parteizugehörigkeit aufs Spiel setzen. In den Fraktionen des Europäischen Parlaments ist das alles anders. Hier gibt es weder Sanktionen bei abweichendem Abstimmungsverhalten, noch müssen schriftliche oder mündliche Anfragen der Abgeordneten zuvor vom Vorstand abgesegnet werden. Zwar ist erst kürzlich ein britischer Konservativer aus der Fraktion der Europäischen Volkspartei aufgrund des Vorwurfs ausgeschlossen worden, er stimme beharrlich mit dem politischen Gegner, doch dies ist eher ein Kuriosum, das man sich bei einer Mandatszahl von über 230 schon mal leisten kann und wird daher kaum Nachahmer finden. Im Europäischen Parlament wird es denn auch zukünftig so sein, wie es im Schulbuch für politische Weltkunde als demokratisches Ideal beschrieben ist: Der Abgeordnete ist weitgehend frei und in seinem Handeln nur seinem Gewissen verpflichtet.

Die Einschränkung „weitgehend“ weist allerdings darauf hin, dass die nationalen Parteien natürlich eine gewisse Aufsicht und nicht selten sogar eine direkte Kontrolle über das Abstimmungsverhalten ihrer Abgeordneten ausüben, zumindest in zentralen Fragen der europäischen Politik. So ist bekannt, dass die britischen Labour-Abgeordneten erst dann definitiv über ihr Verhalten im Parlamentsplenum Auskunft geben können, wenn eine gewisse Mitteilung aus Downing Street eingegangen ist, und auch der Bundeskanzler Schröder sieht es nicht unbedingt gern, wenn die Abgeordneten seiner SPD gegen die von ihm auf Gipfeltreffen mühsam errungenen Kompromisse im Europäischen Parlament Front machen. Die Machtlosigkeit der Fraktionsführungen im europäischen Parlament ist denn auch vor allem dem Umstand zuzuschreiben, dass die Abgeordneten in erster Linie ihren nationalen Parteidelegationen verpflichtet sind, da sie von diesen Parteien ja auch aufgestellt werden und von ihrem Wohl und Wehe bei den Wahlen zum Europäischen Parlament abhängig sind.

Auch die GUE/NGL versteht sich denn als eine konföderale Fraktion, zusammengesetzt aus unterschiedlichsten europäischen Linksparteien. In der Gründungserklärung der GUE vom 14. Juli 1994 [3] liest sich das so: „Die Konföderale Fraktion der Europäischen Vereinten Linken ist ein Forum für die Kooperation der verschiedenen politischen Komponenten, jede von ihnen behält ihre unabhängige Identität und ihre Bindung an die eigene Position.“

Die historischen Erfahrungen der politischen Linken jenseits von Sozialdemokratie und Grüne mit den ihren nationalen Parteien übergeordneten und vorgesetzten „Zentralen“ bzw. „Bruderparteien“ dürfte einiges dazu beigetragen haben, dass dieser Zusammenschluss 1994 so locker und so wenig verbindlich ausfiel. Nur mit Hinweis auf dieses immer noch wache Trauma kann auch der Umstand erklärt werden, dass die europäische Linke es bis heute nicht geschafft hat, eine eigene europäische Partei zu bilden. Das, was die Sozialdemokraten mit ihrer Sozialdemokratischen Partei Europas und die Konservativen und Christdemokraten mit der Europäischen Volkspartei, aber auch die Liberalen und Grünen längst zustande gebracht haben, nämlich ein Zusammenschluss der Parteien in der Europäischen Union mit einem gewissen organisatorischen Standard und ausgestattet mit einer inhaltlichen Minimalposition in Form einer programmatischen Erklärung, ist der Linken bis heute nicht geglückt. Dieser Mangel kann durch die Arbeit der GUE/NGL-Fraktion alleine nicht ausgeglichen werden. Auch das seit 1993 existierende „Forum der Neuen Europäischen Linken“ (NELF), eine Gründung von reformorientierten kommunistischen und linkssozialistischen Parteien, ist kein hinreichender Ersatz für eine solche Partei. Es bietet zwar mit seinen jährlichen Versammlungen eine wichtige Bühne für den Austausch von Positionen unter den verschiedenen Linksparteien, doch eine die Fraktion anleitende Rolle kann es schon deshalb nicht übernehmen, da die Mitgliedschaft im NELF nicht mit der in der GUE/NGL deckungsgleich ist. [4]

Reichlich unverbindlich und wenig konkret wurden in der Gründungsdeklaration von 1994 auch die politischen Zielsetzungen der Fraktion bestimmt. Nach einem Bekenntnis zur europäischen Integration folgt die Einschränkung, dass diese Integration allerdings „in einer anderen Form als dem existierenden Modell angestrebt“ wird: „Wir fordern eine Integration, begründet auf vollständig entwickelter demokratischer Basis, orientiert an dem Übereinkommen, ein neues Modell der Entwicklung anzustreben, das geeignet ist, die wichtigsten Fragen zu lösen.“ [5] Anschließend folgt eine Aufzählung jener wichtigen Fragen, beginnend bei der wachsenden Massenarbeitslosigkeit, über den Respekt vor der Umwelt, der Forderung nach gleichen Rechten für alle Bürger „auf höchstem Niveau“ und endend mit der Notwendigkeit, den Bedürfnissen der Ärmsten in den Mitgliedsländern zu entsprechen und aus diesem Grund ihren Lebensstandard zu sichern. Von einem angestrebten sozialistischen Gesellschaftsziel oder auch nur von einem demokratischem Sozialismus ist in dieser Deklaration an keiner Stelle die Rede. Zu frisch saß wohl noch 1994 der Schock über das abrupte Ende des europäischen Sozialismus. Vergleicht man diese Deklaration mit den oft großartigen historischen Erklärungen der Arbeiterbewegung aus Anlass ihrer Aufbrüche hin zu internationaler Solidarität und Verbrüderung, so ist es nur ein matter Abglanz, was am 14. Juli 1994 in Brüssel beschlossen wurde, in jener Stadt, in der 1899 die II. Internationale der Arbeiterparteien einstmals ihren Sitz nahm.

Eine derart konzipierte Fraktion besitzt nur wenig Möglichkeiten, sich als eigenständige und zusammenführende Kraft bemerkbar zu machen. Aufgrund der gewollten Eigenständigkeit der nationalen Parteidelegationen mangelt es an zwischen den verschiedenen Kräften ausgehandelten Positionsbestimmungen, etwa zu den zentralen Fragen der europäischen Integration. [6] Finden doch einmal in den Fraktionssitzungen Diskussionen zu diesen Themen statt, was angesichts der Fülle der regelmäßig zu bewältigenden Tagesaufgaben selten genug der Fall ist, so beschränken sie sich in der Regel auf die Darstellung der verschiedenen Positionen bzw. auf das Ausloten der Tiefe der vorhandenen Differenzen. Zudem hat die Fraktionsführung immer darauf zu achten, dass solche Diskussionen nicht zu ungewollten Polarisierungen führen oder gar unüberbrückbare Gegensätze hervorbringen, denn zu schnell könnte die mühsam errungene und weiterhin fragile Einheit der heterogenen Kräfte innerhalb der Fraktion, und damit womöglich am Ende ihr Bestand als solcher, in Frage gestellt sein.

Da die der Fraktion aus den Mitteln des Parlaments für ihre Öffentlichkeitsarbeit bereitgestellten Mittel weitgehend von den nationalen Delegationen verwaltet werden, agiert die GUE/NGL nach außen nur in der von der jeweiligen Partei gewählten Form. [7] Möglichkeiten, eigenständig – d.h. losgelöst von den Mitgliedsparteien – in die Öffentlichkeit zu wirken, besitzt sie kaum. Sie verfügt weder über ein regelmäßig erscheinendes Organ, noch gibt sie eigenständig irgendwelche Publikationen heraus. Allein über das Internet kann sie sich bemerkbar machen. Von erheblicher Bedeutung ist hingegen ihre Rolle als Organisator oder Mitveranstalter von Herarings, Arbeitstreffen oder Konferenzen. Sei es bei Anhörungen über neue Formen des Menschenhandels und über Gefahren einer europäischen Militärpolitik bei den in diesem Jahr abgehaltenen Studientagen in Göteborg, sei es bei einer Solidaritätskonferenz mit Kuba, wie im Juni 2001 in Berlin oder bei einem Arbeitstreffen der erweiterten Fraktionsführung mit befreundeten Parteien aus den Beitrittsländern. Das personelle und finanzielle Engagement der Fraktion hilft Zusammenhänge innerhalb der europäischen Linken herzustellen bzw. abzusichern.

... was sie inhaltlich trennt und verbindet

Da wäre zunächst das Spannungsverhältnis zwischen Rot und Grün zu nennen. Die Gruppe der skandinavischen Abgeordneten legt – wie es der schon von ihnen gewählte Name Nordische Grüne Linke zum Ausdruck bringt – besonderen Wert auf die Berücksichtigung grüner politischer Positionen in der Politik der Fraktion. Auch die Einfügung des grünen Farbelements in das gemeinsame Logo geht auf ihre Initiative zurück. Vor allem der finnische Linksbund und die dänische Sozialistische Volkspartei verstehen sich als Parteien, die im nationalen Rahmen das grüne Segment abdecken. Ähnlich wie die norwegischen Sozialisten sehen sich die dänischen als einigende politische Kraft, die die Grünen „geschluckt“ hätten, wie es der Vorsitzende der dänischen Volkssozialisten, Nielsson, einmal formulierte. Die in Dänemark gleichwohl existierende und sogar im nationalen Parlament vertretene „Rot/Grüne-Einheitsliste“ wird von ihnen hingegen als Zusammenschluss kommunistischer und trotzkistischer Splittergruppen und nicht als originär grüne Partei betrachtet. Auch die schwedische Linkspartei sieht sich, angesichts der traditionellen Schwäche der sich dort Milieu-Partei nennenden Grünen, als die eigentliche grüne Partei des Landes. Entsprechend fern stehen diesen Parteien Positionen, die von der fortbestehenden Zentralität des Klassenkonfliktes ausgehen, wie sie vor allem die kommunistischen Parteien Griechenlands und Portugals, die französischen trotzkistischen Organisationen LO und LCR aber auch die niederländische Sozialistische Partei vertreten. Letztere hatte sich aufgrund dieser Differenz aus dem niederländischen Parteienbündnis Grün/Links herausgelöst.

Neben der unterschiedlichen Bewertung, der hier als „Klassenfrage“ bezeichneten Fragestellung, welche sozialen Subjekte als Träger künftiger gesellschaftlicher Veränderungen angesehen werden können, kommt als zweiter Gegensatz eine Kontroverse hinzu, die traditionell alle Linksparteien durchzieht, und die auch nach dem Ende des europäischen Sozialismus keineswegs obsolet geworden ist. Es ist dies die Frage nach der Bewertung von Kräften und nationalen Bewegungen, die sich den Weltordnungsvorstellungen des unter amerikanischer Führung stehenden „Westens“ wiedersetzen. Akut wurde und wird dieser schwelende Konflikt regelmäßig bei Entscheidungen des Parlaments, die das Gebiet des ehemaligen Jugoslawien betreffen, und hier insbesondere die Bewertung der Legitimität des Haager Tribunals. Sie flammt aber auch bei der Bewertung der Menschenrechtssituation in China und im heutigen Russland immer wieder auf. In diesen Fragen waren es wiederholt die Abgeordneten der griechischen Kommunistischen Partei [8] , die sich besonders unversöhnlich zeigten, sich aber zugleich durch Alleingänge und unabgesprochene Initiativen immer wieder in der Fraktion selbst isolierten.

... wie sie zur europäischen Integration stehen

So wichtig diese Kontroversen im einzelnen Konfliktfall auch immer sein mögen, für eine Fraktion der Linksparteien im Europäischen Parlament von ungleich größerer Bedeutung ist jedoch die Bearbeitung der Fragestellung, wie die europäische politische Linke sich zur gegenwärtig vollziehenden europäischen Integration verhalten soll. Im Mittelpunkt stehen daher folgende ungelöste Probleme, die dringend anzugehen sind, und die wie folgt beschrieben werden können:

-      Welche Grenzen und Bedingungen stellt die bereits vollzogene europäische Integration an eine mögliche sozialistische Transformation in einem einzelnen Mitgliedsstaat der EU?

-      Ist eine solche isolierte nationale Entwicklung heute überhaupt noch vorstellbar?

-      In welchen Politikbereichen kann es zukünftig nur noch ein abgestimmtes Vorgehen der europäischen Linken geben?

-      Existiert nach dem Inkrafttreten der Wirtschafts- und Währungsunion überhaupt noch ein Spielraum für nennenswerte nationale Wirtschaftspolitiken? [9]

Dies sind Fragen, auf die die Delegationen der verschiedenen Parteien der Fraktion heute sehr unterschiedliche Antworten geben.

Die generelle Unzufriedenheit aller politischen Gruppen in der GUE/NGL mit einer allgemein als neoliberal und monetaristisch bewerteten Integrationspolitik, wie sie sich insbesondere in der Konstruktion der Wirtschafts- und Währungsunion und dem Stabilitätspakt gemäß den Verträgen von Maastricht und Amsterdam darstellt, kann dabei noch als Konsens vorausgesetzt werden. Unterschiedlich, wenn nicht sogar gegensätzlich, sind jedoch die Antworten darauf, wie bzw. ob überhaupt im Rahmen der gegenwärtigen Europäischen Union diese Situation grundlegend verändert werden kann. Verschieden bewertet wird mithin die Frage, ob ein linkes europäisches Projekt überhaupt realisierbar ist. Erkennbar werden diese gegensätzlichen Einschätzungen innerhalb der Fraktion immer dann, wenn Entscheidungen zu integrationspolitischen Weichenstellungen zu treffen sind, etwa bei den Abstimmungen des Parlaments über die europäische Grundrechtecharta oder über die Bewertung des Vertrages von Nizza. [10]

Der Vertrag von Nizza wurde, mit Ausnahme der dänischen Volkssozialisten, von allen nationalen Delegationen in der Fraktion abgelehnt. Die zustimmende Haltung der Volkssozialisten, die in den letzten zehn Jahren nicht nur die Verträge von Maastricht und Amsterdam kategorisch abgelehnt hatten, sondern auch mehrere nationale Referenden in Dänemark über sie mit zu erzwingen halfen, mag auf den ersten Blick hin überraschen. Ihre Position ist dennoch logisch und konsequent und stellt eine Fortsetzung ihrer bisherigen Europapolitik dar. Der Vertrag von Nizza wird so gut wie keine Fortschritte bei der Vertiefung der Integration zur Folge haben, und die SVP hält eine solche Vertiefung der Union auf ihrer gegenwärtigen undemokratischen Grundlage denn auch für verfehlt. Zugleich schafft der Vertrag die Minimalvoraussetzungen für die Erweiterung der Union, die von den dänischen Volkssozialisten als die wichtigste Aufgabenstellung der Union für die nächsten Jahre angesehen wird. [11]

Hinter der ablehnenden Haltung aller übrigen Delegationen der Fraktion verbargen sich aber zum Teil ganz unterschiedliche, ja gegensätzliche Motivationen. Die Vertreter der kleineren Parteien lehnen den Vertrag ab, da in ihm vorgesehen ist, die Anzahl der Europaabgeordneten – mit Ausnahme Deutsch­lands – zu verringern, und dies hieße für einige dieser Parteien, dass sie zukünftig nur noch mit einem oder bestenfalls mit zwei Abgeordneten dabei sein würden. [12] Die PDS hingegen bemängelte am Vertrag die ausgebliebenen integrationspolitische Schritte, vor allem den in Nizza nicht erreichten generellen Übergang zum Mehrheitsverfahren bei Abstimmungen im Europäischen Rat, mit Ausklammerung lediglich der Sicherheitspolitik. [13] Diese Haltung wurde in der Fraktion nur von wenigen geteilt. Im Vorfeld des Gipfels von Nizza hatte etwa die Nichtregierungsorganisation ATTAC darauf aufmerksam gemacht, dass die Erteilung eines Verhandlungsmandats für die Kommission  in Fragen der Dienstleistungen, des Urheberrechts und Investitionen z.B. gegenüber der WTO nicht in ein Mehrheitsverfahren gehört, da damit die Position der französischen Linksregierung unterminiert werden würde, die sich dafür einsetzt, Kultur nicht zu einem beliebigen Handelsgut in der globalisierten Wirtschaft verkommen zu lassen. Diese Beispiele zeigen, dass es darauf ankommt, die Bereiche einzeln zu benennen, für die Mehrheitsentscheidungen auf europäischer Ebene gesucht werden sollen und zugleich diejenigen hervorzuheben, welche auf keinem Fall vergemeinschaftet werden dürfen. [14]

Deutlich erkennbar wurden diese gegensätzlichen Urteile bei der Abstimmung des Parlaments über den Bericht Mendez de Vigo/Seguro am 31. Mai 2001 zum Vertrag von Nizza, in dem er zwar als unzureichend kritisiert wurde, allerdings in der klaren Perspektive einer geforderten Vertiefung der europäischen Integration. Während der Bericht von fast allen Abgeordneten der Sozialdemokraten, der Europäischen Volkspartei, freilich mit Ausnahme der dort organisierten britischen Konservativen, der Liberalen und der klaren Mehrheit der Grünen befürwortet wurde, stimmten nur sieben Abgeordnete der GUE/NGL ihm zu, vierzehn votierten mit Nein, während sich zehn, unter ihnen der Fraktionsvorsitzende Francis Wurtz, enthielten. [15]

Ein ähnliches Bild ergab die Abstimmung über die europäische Grundrechtecharta aus Anlass der Entscheidung über den Bericht Duff/Voggenhuber am 14. November 2000, in dem die Charta ausdrücklich begrüßt wurde und ihre Aufnahme in die europäischen Verträge gefordert wurde. Unter den 410 Befürwortern befanden sich nahezu alle Abgeordneten der Sozialdemokraten, der Europäischen Volkspartei, auch hier wieder mit Ausnahme der jede europäische Grundrechtecharta ablehnenden britischen Konservativen, der Liberalen, die Mehrheit der Mandatsträger der Grünen, aber nur zehn Abgeordnete der GUE/NGL. Siebzehn von ihnen gehörten zu den 93 Nein-Stimmen im Parlament, sechs enthielten sich und einige zogen es vor, trotz ihrer physischen Anwesenheit überhaupt nicht abzustimmen. Zu dieser Form der Enthaltung neigten vor allem die Abgeordneten der auf der offenen Liste der französischen Kommunisten ausgerechnet unter dem Namen „Bouge l´Europe“, was auf deutsch so viel heißt wie „Beweg Dich, Europa“, in das Parlament gekommenen Abgeordneten. [16]

Den eine weitere Vertiefung und eine fortschreitende Integration ablehnenden Pol der Meinungsbildung besetzten die skandinavischen Parteien, zusammen mit den griechischen und den portugiesischen Kommunisten, dem Abgeordneten der niederländischen Sozialisten sowie den französischen Trotzkisten, Parteien mithin, die ansonsten herzlich wenig miteinander verbindet. Bei der Abstimmung über die Grundrechtecharta kamen noch die vier Abgeordneten des italienischen Partido della Refondazione Comunista als Kritiker hinzu. Auch die der Vereinten Linken Spaniens fanden sich nicht bei den Ja-Stimmen.

Die skandinavischen Parteien lehnten die Charta von Beginn an ab, da sie in ihr vor allem einen weiteren Schritt hin zu einem föderalen Europa sehen, in dessen Folge lediglich die Souveränitätsrechte der Nationalstaaten geschwächt werden. Diese Kritik sollte nicht als eine bloß nationalistische Haltung bewertet oder diffamiert werden, ist sie doch Ausdruck einer durchaus Ernst zu nehmenden Überzeugung, dass es hier um die Verteidigung der Demokratie und insbesondere der demokratischen Teilhabrechte der arbeitenden Bevölkerung geht, wie sie sich in den skandinavischen Sozialstaaten herausgebildet haben. [17] Diese Einschätzung liegt auch der Europapolitik der drei skandinavischen Parteien in ihren Heimatländern zugrunde, sei es bei der Ablehnung der dänischen SVP und des finnischen Linksbundes gegenüber der Einführung des Euro oder die weiterhin von der schwedischen Linkspartei erhobene Forderung nach einem Austritt Schwedens aus der Europäischen Union. [18]

Der überwiegende Teil der Mitgliedsparteien der Fraktion lehnte hingegen den Entwurf der Charta nicht aus prinzipiellen Gründen, sondern aufgrund der Schieflage des Textes zulasten sozialer Rechte ab, da er nicht einmal soziale Staatszielbestimmungen enthält, wie sie in einer Reihe nationaler Verfassungen zum Teil schon seit Jahrzehnten festgeschrieben sind. Diese Kritiker hätten aber durchaus auch zu einer anderen, letztlich positiven Bewertung gelangen können, wie sie etwa der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) vornahm, der in dem Chartaentwurf einen „wichtigen Schritt zur Förderung eines sozialen Europas und eines Europas der Bürger“ sieht, der „einen Mehrwert gegenüber der aktuellen Lage darstellt“. [19] Eine solche Position, wie sie auch die PDS-Abgeordnete Sylvia-Yvonne Kaufmann einnahm, die als Vizepräsidentin der Delegation des Europäischen Parlaments Mitglied des Konvents für die Ausarbeitung der Grundrechtecharta der Europäischen Union war, blieb aber in der Fraktion in der Minderheit. Auf der Seite der Befürworter befanden sich lediglich die zwei Abgeordneten der griechischen Koalition der Linken und des Fortschritts, Mihail Papayannakis und Alexandros Alvanos, sowie Dimitros Koulourianos von der griechischen Demokratischen Sozialistischen Bewegung, Armando Cossuta von der Partei der Italienischen Kommunisten, Alonso Puerta von der Vereinten Linken Spaniens und fast alle Abgeordnete der PDS. [20]

Die beiden Abstimmungen über den Vertrag von Nizza und über die europäische Charta der Grundrechte können durchaus als Gradmesser für die Bereitschaft der Parteien der europäischen Linken genommen werden, inwieweit sie bereits sind, dem gegenwärtigen vom Rat und der Kommission vorgebenden Integrationskurs zu folgen. Und hier ist eine offensichtlich wachsende Zurückhaltung festzustellen. Gehörten die spanischen Abgeordneten der Vereinten Linken und die italienischen der Partei der Kommunistischen Wiedergründung bei der Abstimmung über den Euro am Beginn der neunziger Jahre noch zu jenen Kräften, die sich der Stimme enthielten, um diesem Projekt zumindest eine Chance zu geben, so stimmten die Vertreter dieser beiden Parteien nun nahezu geschlossen sowohl gegen den Entwurf der Charta als auch gegen eine Wertung des Vertrages von Nizza, der diesen vor allem aufgrund seiner unzureichenden integrationspolitischen Fortschritte kritisiert. Lediglich die beiden Abgeordneten der Koalition der Linken und des Fortschritts Griechenlands gehörten schon seinerzeit sowohl zu den wenigen Befürwortern der einheitlichen europäischen Währung und zählten jetzt auch zu den Unterstützern der Stellungnahme des Parlaments zu dem Vertrag von Nizza als auch des vorgelegten Textes der Grundrechtecharta. Die erst seit den Wahlen 1999 im Europäischen Parlament vertretene PDS formulierte wohl noch zu Beginn der neunziger Jahre als Gruppe im Deutschen Bundestag eine vehemente Kritik an der Einführung des Euros und der Wirtschafts- und Währungsunion, gehört aber nun, im Europäischen Parlament, zu den „Europaoptimisten“. [21]

In der wachsenden Skepsis innerhalb der GUE/NGL dürfte sich eine Bewertung der gegenwärtigen Integrationspolitik widerspiegeln, wie sie etwa von Hans-Jürgen Bieling und Frank Deppe beschrieben wird: „Die Paradoxie scheint darin zu bestehen, dass auf der einen Seite die integrationspolitischen Großprojekte der 90er Jahre – die WWU und die Einführung des Euro, die Vorbereitung der Osterweiterung und die GASP (inkl. der Sicherheitspolitik) – nicht gefährdet sind bzw. fristgerecht realisiert werden, dass aber in dem Maße, wie durch die Realisierung dieser Projekte die ökonomische und monetäre Verflechtung zunimmt, die Projekte der politischen Integration geschwächt werden und die Perspektive einer Sozialunion immer weiter an den Rand gedrängt wird.“ [22]

... und was sie nach der Erweiterung der Union erwarten können

Wie wird sich die politische Zusammensetzung des Europäischen Parlaments nach der Erweiterung verändern? Werden die Linken von der Ausdehnung der Union in einen Raum hinein profitieren, der gut vierzig Jahre von sozialistischen Gesellschaftsentwicklungen geprägt war? Schließlich ist ja auch mit der deutschen Vereinigung in Form der PDS eine in den neuen Bundesländern gut verankerte Linkspartei neu in das politische Spektrum der Bundesrepublik gekommen. Auf der Ebene der Europäischen Union wird sich dies aber nicht wiederholen. Sieht man einmal von der besonderen Situation in der Tschechischen Republik ab, in der die Kommunistische Partei Böhmens und Mährens eine der stärksten politischen Kräfte ist, fristen in Mittelost- und Osteuropa die sich mit der heutigen GUE/NGL-Fraktion verbunden fühlenden Parteien nur ein Randdasein. Was dort von den ehemals regierenden kommunistischen Parteien übrig geblieben war, hat sich längst zu sozialdemokratischen Parteien gehäutet und wird nach dem Beitritt ihrer Länder die Fraktion der SPE verstärken. Aber auch die Konservativen und selbst die Liberalen werden parteipolitisch von der Erweiterung profitieren. Neben dem Zuwachs aus der Tschechischen Republik wird die linke Fraktion mit Sicherheit aber nur Verstärkung durch Abgeordnete der zypriotischen Fortschrittlichen Partei des Werktätigen Volkes (AKEL) erhalten, die inzwischen zur stärksten Partei des Landes geworden ist. Einzelne Abgeordnete könnten noch aus Ungarn und Polen hinzukommen, vorausgesetzt die polnische Union der Arbeit und die ungarische Arbeiterpartei überwänden bei den Wahlen zum Europäischen Parlament die dort geltenden 5%-Hürden, was beiden Parteien allerdings bei den letzten nationalen Wahlen nicht gelang.

Legt man die im Vertrag von Nizza vereinbarte Verteilung der Sitze im Parlament nach Abschluss der Erweiterung, mit der die Zahl der Mandate von gegenwärtig 626 auf 732 (allerdings nur bei einer Aufnahme auch von Bulgarien und Rumänien und ohne Berücksichtigung der Türkei) steigen soll, einer Schätzung der zukünftigen Stärkeverhältnisse der Fraktionen zugrunde, so ist zu erwarten, dass die konservative Europäische Volkspartei mit 277 Mandaten (gegenwärtig 233) und die Sozialdemokratische Partei Europas mit 223 (heute 180) weiterhin die mit Abstand größten Blöcke bleiben werden. Auf europäischer Ebene wird sich daher der Trend hin zu einem Zwei-Parteien-System verstärken. Die Liberalen bleiben dritte Kraft mit 76 (heute 51) Mandaten. Die Grünen würden ihre Rolle als viertstärkstes Bündnis mit nur noch 36 Abgeordneten, statt gegenwärtig 48, an die Vereinte Linke abgeben müssen, die sich leicht auf 45 Mandate verbessern könnte. [23]

Obwohl eine Reihe kleinerer Parteien aus den heutigen Mitgliedsländern, aufgrund der Verringerung der Mandate für alle gegenwärtigen EU-Staaten , in das zukünftige Parlament nicht mehr einziehen werden, wird sich allein die Zahl der insgesamt dort vertretenen Parteien von heute 120 auf dann wahrscheinlich 180 erhöhen. Die Gruppe der Mitgliedsparteien in der GUE/NGL wächst womöglich auf 18 bis 20. Man sieht allein an Hand dieser Zahlen: Die Zusammenführung der europäischen Linken jenseits von Sozialdemokratie und Grünen bleibt auch in Zukunft ein schwieriges Feld.

[1]    Nur aus Großbritannien, Irland, Belgien, Luxemburg und Österreich sind keine Abgeordnete vertreten.

[2]    Folgende Parteien haben sich in der GUE/NGL zusammengeschlossen, in Klammern die Zahl der jeweiligen Abgeordneten: Niederlande: Sozialistische Partei (1), Dänemark: Sozialistische Volkspartei (1), Finnland: Linksbund (1), Schweden: Linkspartei (3), Griechenland: Kommunistische Partei (3), Koalition der Linken/ Synaspismos (2),  Demokratische Sozialistische Bewegung/ DIKKI (2), Italien: Partei der kommunistischen Neugründung (4), Kommunisten Italiens (2),  Frankreich: Kommunistische Partei Frankreichs (6), Arbeiterkampf und Kommunistische Revolutionäre Liga (5), Spanien: Vereinte Linke (4), Portugal: Kommunistische Partei Portugals (2),  Deutschland: Partei des Demokratischen Sozialismus (6).

[3]    The GUE/NGL Constituent Declaration , nachzulesen – allerdings bisher nur in englisch oder französisch - auf der website der Fraktion www.europarl.ep.ec/gue/.

[4]    Obgleich sich die Mitgliedschaft im NELF immer mehr der der GUE/NGL angeglichen hat, gehören die Kommunistischen Parteien Griechenlands, Portugals, die griechische Demokratische Sozialistische Bewegung/ DIKKI und auch die französischen trotzkistischen Organisationen LO und LCR nicht dem NELF an. Einige Mitgliedsparteien des NELF sind hingegen nicht im Europäischen Parlament vertreten: Die Estnische Sozialdemokratische Partei der Arbeit, die Bürgerbewegung des ehemaligen französischen Innenministers Jean-Pierre Chevenements, die Sozialistische Linkspartei Norwegens und die Partei der Arbeit der Schweiz.

[5]    Vgl. GUE/NGL Constituent Declaration, a.a.O., Übersetzung aus dem Englischen – A.W.

[6]    Gemeinsame Standpunkte der Fraktion werden in den Sitzungswochen des Parlaments oft ad hoc als Gegenentwürfe zu jenen von anderen Fraktionen vorgelegten Erklärungen entwickelt. Meist handelt es sich dabei um solche zu aktuellen außenpolitischen Ereignissen. Diese Erklärungen finden sich in der Sprache des ursprünglichen Entwurfs, daher meist in französisch oder englisch, auf der website der Fraktion.

[7]    Von der PDS-Delegation in der GUE/NGL wird etwa in diesem Rahmen der Informationsdienst „europarot“ herausgegeben, nachzulesen auf der website www.pds-europa.de.

[8]    Die Kommunistische Partei Griechenlands nimmt eine zentrale Rolle bei der Organisation der sich als marxistisch-leninistisch verstehenden Internationalen Konferenz der kommunistischen und Arbeiterparteien ein, die im Sommer 2000 ihren Kongress in Athen abhielt. Auch wenn man generell über die Bedeutung der politischen Ordnungsbegriffe Links und Rechts streiten kann, so ist es aber schlicht nicht nachvollziehbar, wenn Andrea Volkens die Kommunisten Griechenlands – indem sie sie zugleich unzulässigerweise in einen Topf mit den beiden anderen griechischen Parteien wirft – dem rechten Spektrum der Fraktion zurechnet: „Die stärkste Gruppe der Linken Fraktion stellen allerdings die drei griechischen Parteien (KKE, CLP und DIKKI) mit sieben von 35 (tatsächlich sind es 42!, A.W.) Sitzen, die, zusammen mit der finnischen Allianz des linken Flügels (VL), das rechte Spektrum der Fraktion ausmachen.“ Da ist auch nicht verwunderlich, dass die PDS „zusammen mit der schwedischen Vänsterpartiet, der spanischen Vereinigten Linken und den französischen Kommunisten den linken Rand des Spektrums der Fraktion“ bilden sollen. Das von Volkens gewählte Vorgehen, die politischen Parteien allein aufgrund ihrer eigenen Programmatik im politischen Spektrum einzuordnen, führt hier erkennbar zu vollständiger Verwirrung, da es jeden Bezug zur Realität verliert. Vgl.: Andrea Volkens, Dritte Wege in Europa – Chancen für linkssozialistische Parteien?. In: Die PDS im Parteiensystem. Herausgegeben als Schriften 4 der Rosa-Luxemburg-Stiftung von Michael Brie und Rudolf Woderich, Berlin 2000, S.126 ff.

[9]    Vgl. zu den europapolitischen Aufgabenstellungen einer Programmdiskussion der PDS: Andreas Wehr, Europäische Union, in: 13 Wortmeldungen zur PDS-Programmdiskussion, Beilage zu Z 46, Juni 2001, S.43 ff.

[10] Da sich in anhand dieser beiden Abstimmungen sehr gut die unterschiedlichen Linien innerhalb der Fraktion in der Frage der weiteren Integration aufzeigen lassen, sollen sie im Folgenden eingehender betrachtet werden. Doch auch in den fraktionsinternen Debatten über das dänische Nein zum Beitritt in die Eurozone und aus Anlass der irischen Ablehnung des Vertrags von Nizza ließen sich diese Fronten gut erkennbar herausarbeiten.

[11] In einem Statement der Sitzung des Zentralkomitees der SF am 6. und 7. Januar 2001 heißt es unter der Überschrift „SF sagt Ja zum Vertrag von Nizza und einem Referendum“: „Der Vertrag ist ohne Zweifel ein Erweiterungs-Vertrag. Im Vertrag werden neue Festlegungen bei Punkten getroffen, deren Veränderung unzweifelhaft politische Voraussetzung für die Zustimmung der EU-Länder zur Erweiterung sind. Es wird unmittelbar deutlich aus der Präambel, dass der Vertrag die EU-Erweiterung vorbereiten soll, und ähnliche Veränderungen bei der Stimmenverteilung nach Ländern im Ministerrat und der Sitzverteilung im Europa-Parlament verfolgen eindeutig dieses Ziel.” (Übers. aus dem Englischen: Red.)

[12] Dieses Argument stellten etwa die Vertreter der KP Portugals, der Sozialistischen Partei der Niederlande und der Vertreter des finnischen Linksbundes in den Mittelpunkt ihrer Argumentation.

[13] Vgl. Uwe Hiksch/Sylvia-Yvonne Kaufmann, Nein zum Vertrag von Nizza, Ja zur Erweiterung der Europäischen Union – die europäische Einigung droht am Nationalen zu zerbröseln, in: Disput 1/2001.

[14] Vgl. zu dieser Auseinandersetzung auch Andreas Wehr, Probleme der Globalisierung. Über das allmählich sich wandelnde Verhältnis der Europäischen Union zu ihren Mitgliedsländern, in: Z 45, März 2001, S. 56-69

[15] Vgl. Protokoll der Sitzung des Europäischen Parlaments am 31. Mai 2001.

[16] Die offizielle Haltung der KPF gegenüber der Grundrechtecharta lief auf eine Ablehnung der Anfang Oktober 2000 vorgelegten Fassung, verbunden mit der Forderung nach erneuter Aufnahme der Verhandlungen hinaus. In einer Presseerklärung des Sekretariats der KPF für internationale Beziehungen vom 23. Oktober 2000 hieß es zur Grundrechtecharta: “Sie wäre zu begrüßen, wenn ihr Inhalt es ermöglichen würde, die Europäische Union nicht einfach als einen großen Wirtschaftsmarkt, sondern als eine Gemeinschaft humaner Werte zu verstehen. Das ist aber nicht der Fall bei dem Projekt, das von den Stats- und Regierungschefs in Biarritz vor einigen Tagen verabschiedet wurde. Die Information und Mobilisierung der Bürger muss verstärkt werden, um sicherzustellen, dass die Arbeit an der Charta auf neuer Grundlage auf europäischer Ebene bis zur Tagung von Nizza, und wenn notwendig, auch darüberhinaus wieder aufgenommen wird, insbesonder mit dem Ziel der Berücksichtigung der Erwartungen der Bürger und der sozialen Bewegungen.” (Übers. aus dem Englischen: Red.)

[17] Der Abgeordnete des finnischen Linksbundes, Esko Seppänen, arbeitet aufgrund dieser Überzeugung sogar in der fraktionsübergreifenden Gruppe „SOS Democracy“ mit, deren Zielsetzung er wie folgt beschreibt: „Ziel dieser fraktionsübergreifenden Gruppierung ist die Verteidigung der einzigen bekannten Form von Demokratie, der Demokartie im Rahmen der Nationalstaaten.“ In: www.kaapeli.fi/seppanen/English/CV2000.htm. (Übers.: Red.)

[18] Vgl. zu den euroskeptischen Positionen der skandinavischen Parteien die mit Unterstützung der niederländischen Sozialistischen Partei, der dänischen Volkssozialisten und der schwedischen Linkspartei auf Englisch erstellte Internetzeitschrift „spectre“ (www.spectrezine.org).

[19] Vgl. Stellungnahme des EGB vom 25./26. Oktober 2000, zitiert nach: Sylvia-Yvonne Kaufmann (Hrsg.), Grundrechtecharta der Europäischen Union, Mitglieder und Beobachter des Konvents berichten, Bonn, 2001, S. 74.

[20] Allerdings mit Ausnahme von Hans Modrow, der sich bei der Abstimmung über die Grundrechtecharta enthielt und gegen den Bericht über den Vertrag von Nizza stimmte. Auch der PDS-Abgeordnete Helmuth Markov stimmte in der Abstimmung über den Bericht zu Nizza mit Nein, vgl. Protokoll der Sitzung des Europäischen Parlaments vom 31. Mai 2001.

[21] Der Begriff „Europaoptimisten“ wird hier im folgenden Sinne verwandt: „Die Optimisten überschätzen das Delor’sche Projekt als den Beginn einer neuen Phase des ‘sozialen Fortschritts’, d.h. der Schaffung von Grundlagen einer europäischen Sozialpolitik und eines europäischen Systems der Arbeitsbeziehungen.“ Vgl. Hans-Jürgen Bieling/Frank Deppe, Europäische Integration und industrielle Beziehungen: Gewerkschaftspolitik in der ‘Regime-Konkurrenz’, in: Europa der Linken, Supplement der Zeitschrift Sozialismus 4/2001, S. 27.

[22] Hans-Jürgen Bieling/Frank Deppe, a.a.O., S. 23.

[23] Diese Berechnungen stützen sich für die gegenwärtigen EU-Mitgliedsländer auf  die Ergebnisse der Wahlen zum Europäischen Parlament 1999 und bei den 12 Beitrittsstaaten auf eine Auswertung der letzten nationalen Wahlen und sind einer von der schwedischen Linkspartei erstellten Studie (The Political Composition of a Future European Parliament with 27 Member States, Bussels 1st of February) entnommen. Da der Beitrittszeitpunkt der Bewerberstaaten aber noch nicht feststeht, und bis dahin in den politischen Landschaften dieser Länder noch manche abrupte Veränderungen zeigen können - siehe etwa der kometenhafte Aufstieg der Zarenpartei vor kurzem in Bulgarien - können diese Berechnungen nur als Trendaussagen genommen werden.

 
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