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Heft 43,
September 2000,
11. Jhrg Für die Programmdiskussion der Linken, bei der sich das Augenmerk derzeit
vornehmlich auf die Diskussion im Rahmen der PDS richtet, ist die Frage nach einer
realistischen Kapitalismus-Analyse ausschlaggebend. In zurückliegenden Heften
war bereits auf diese Diskussion Bezug genommen worden (vgl. Bischoff/Hüning
in Z 41 und Münchow in Z 42). Die Beiträge zum Themenschwerpunkt der
vorliegenden Ausgabe sind ebenfalls in diesem Zusammenhang zu lesen. Wir eröffnen
mit einem Vortrag, den Andreas Wehr bei der Berliner Tagung "30 Jahre Herforder
Thesen" gehalten hat. Wehr unternimmt einen Rückblick auf das Scheitern
der marxistisch orientierten Strömung in der SPD und auf den Zusammenbruch
des staatlich organisierten Sozialismus in Europa und versucht, daraus Schlussfolgerungen
für die heutige Programmdiskussion der marxistischen Linken zu entwickeln.
Er plädiert gegen einen "kapitulierenden Marxismus", der davon
ausgeht, das Scheitern des sozialistischen Experiments in Europa sei unausweichlich
gewesen und spricht sich für eine Epochenbestimmung aus, die den Sozialismus
als Perspektive aufnimmt. Zugleich argumentiert er gegen den Verlust des historischen
Gedächtnisses der MarxistInnen und für eine Sozialismuskonzeption, die
die Überwindung des kapitalistischen Privateigentums einschließt. Horst
Heininger fragt nach Sinn und Unsinn der Formel von der "Überwindung
der Profitdominanz". Das Profitprinzip ist auch dann noch wirksam, wenn die
Aneignungs- und Verteilungsbedingungen verändert wurden, die antagonistischen
Klassenverhältnisse aber fortbestehen. Die Profitdominanz kann deshalb erst
mit der grundlegenden Veränderung der Eigentumsverhältnisse ausgehebelt
werden. Aus der Sicht von Hans See ist der Kapitalismus mit dem Ende der bipolaren
Weltstruktur und der "Globalisierung" in eine Entwicklungsphase eingetreten,
die durch zunehmende Entkoppelung des Kapitals von seiner nationalstaatlichen
Basis und durch umfassende Wirtschaftskriminalität geprägt ist. Damit
werden die Grundlagen des bisherigen "westeuropäischen Sozialkapitalismus"
in Frage gestellt. Gretchen Binus untersucht an Hand der Aktivitäten des
Thyssen-Konzerns Veränderungen im Beziehungsgefüge von Staat und Wirtschaft.
Dass es dabei auch um im strafrechtlichen Sinne kriminelle Varianten der Staat-Monopol-Beziehungen
geht - im Zusammenhang mit der CDU-Spendenaffäre sind im August die Anklagen
gegen Manager des Thyssen-Konzerns und ihren Mittelsmann Leisler Kiep zugelassen
worden - ist, weil üblich, nicht verwunderlich. Anders als See kommt Binus
zu dem Schluss, dass gerade unter Bedingungen der Internationalisierung des Kapitals
die nationalstaatliche Basis für die Konzerne keineswegs an Bedeutung verliert.
Sie konstatiert zunehmendes Gewicht und einen Funktionswandel staatsmonopolistischer
Verflechtungen, wobei - so ihre These - die Umverteilungsfunktion des Staates
gegenüber anderen Formen staatsmonopolistischer Regulierung immer wichtiger
wird. In diesem Zusammenhang lassen sich auch die von Karl Unger vorgestellten
Modalitäten und Folgen der Privatisierung der Bundesbahn interpretieren.
Sie verweisen auf den Bedeutungsverlust von Staatseigentum. Die Gewährleistung
infrastruktureller Voraussetzungen der Kapitalreproduktion wird selbst zu einem
Sektor, der direkt Profit abwerfen soll. Mit der Neuformulierung der Geldtheorie
durch Milton Friedman, einen der Chefökonomen der neoliberalen Chicago-Schule,
befasst sich Fritz Fiehler. Friedmans 1956 geschriebener Artikel, hier neu gelesen,
ist sozusagen die Geburtsurkunde des Monetarismus. Hier schlägt die Ideologie
der Geld- und Portfoliotheoretiker, der Figur des kapitalistischen Rentiers, durch,
für den alle Einkommensquellen auf "Vermögen" mit Zinsanspruch
reduziert werden. |
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