Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung
<<Zurück
 
 

Heft 28, Dezember 1996, 07. Jhrg

Editorial

Die letzte Ausgabe von Z war bereits ausgedruckt, als uns die bestürzende Nachricht vom Tode von Heinz Jung erreichte. Dieses Heft gibt die Möglichkeit, Heinz Jung, auf dessen Initiative Z 1989 begründet wurde, zu gedenken.

Im Nachruf seiner engeren Freunde, Arbeitskollegen und Genossen, mit denen er politisch und publizistisch auch bei der Herausgabe von Z verhunden war, heißt es: "Mit Heinz Jung verliert die marxistische Linke einen ihrer herausragenden Köpfe. Wir werden seine Fähigkeit zu nüchterner wissenschaftlicher Analyse, seinen klaren Blick für das Neue und Wesentliche, seine Produktivität und Kreativität, seine Unbeirrbarkeit und ,cinen ungebremsten Elan sehr vermissen."

Der Erinnerung an Heinz Jung in diesem Heft ist ein Nachruf gewidmet. Dazu gehört auch ein Bericht von dem Kolloquium über "Klassentheorie und soziale Bewegungen heute", das am 5. Oktober in Frankfurt/M. stattfand. Das Thema, zu dem er selbst angeregt hatte und sprechen wollte, war sozusagen "sein" Thema. Ein von Heinz Jung vorbereiteter Beitrag für diese Tagung über "Klassen und Geschichte" wird in diesem Heft abgedruckt.

Die Redaktion dankt allen, die ihr im Zusammenhang mit dem Tode von Heinz Jung geschrieben haben.

Ein Jahr nach dem gescheiterten "Bündnis für Arbeit", das der IG Metall-Vorsitzende Zwickel seinerzeit am Vorabend des Gewerkschaftstages der IG Metall den Unternehmerverbänden und der Regierung mit weitreichenden Zugeständnissen angeboten hatte, ist die Bundesrepublik in einem rauheren sozialpolitischen Klma denn je. Der neoliberale Angriff auf Lohneinkommen, auf das Tarifvertragssystem insgesamt und auf die Rolle der Gewerkschaften als Kollektivorganisation der Lohnabhängigen hat nicht nachgelassen, sondern mit der Auseinandersetzung um die Lohnfortzählung noch an Schärfe gewonnen. Dieses Bündnisangebot war, so auch , der Tenor der Frankfurter Versammlung der Gewerkschaftslinken vom 2. November d. J., Ausdruck einer illusionären Anpassung und einer Fehleinschätzung von Strategie und Absicht des Führungspersonals von Banken, Konzernen, Unternehmerverbänden und Bundesregierung. Michael Wendl hatte auf dem IMSF/Z Kolloquium u.a. über die mit solcher Fehleinschätzung verbundene Erosion gewerkschaftlicher Grundsätze in der Tarif und Sozialpolitik gesprochen; wir dokumentieren seinen Beitrag in diesem Heft.

Die Protestbewegung gegen den Sozialabbau und den offenen Tarifvertragsbruch, die durch den Kurs der Unternehmerverbände und den mit Kanzlermehrheit im Bundestag verabschiedeten Sozialabbaupakt provoziert worden ist, hat verhindert, daß die Gewerkschaften selbst als ohnmächtige und zahnlose Organisationen vorgeführt werden konnten. Auch diese Protestbewegung war in ihrem Ausmaß kaum vorausgesehen; die Gegenseite hatte sich insofern gleichfalls verkalkuliert. Ob die "Rückmeldung" der sozialen Basis in diesen Bewegungen, die sich in der Bundesrepublik gegenüber anderen Ländern noch vergleichsweise zaghaft ausnimmt, auch stärkeren Einfluß auf die gewerkschaftliche Programmdebatte im DGB ausüben konnte, wird bei Auslieferung dieses Heftes nach dem Dresdener Programm Kongreß des DGB schon ersichtlich geworden sein. Auf jeden Fall wird dies im nächsten Heft von Z ein Thema der Diskussion sein.

Der Schwerpunkt des vorliegenden Heftes ist verschiedenen "Öko-Aspekten" gewidmet. Es geht um das Verhältnis von Ökologie und Kapitalismus. Wir veröffentlichen einen Text von Jaines O'Connor, Herausgeber der hierzulande wenig bekannten amerikanischen Zeitschrift "Capitalism, Nature, Socialism". O'Connor faßt die systematische, krisenauslösende Unterreproduktion resp. Überkonsumtion der allgemeinen Produktionsbedingungen der Gesellschaft einschließlich ihrer natürlichen Lebensvoraussetzungen als zweiten Widerspruch des Kapitalismus, der zu einem wachsenden Konfliktherd wird. Daß die politische Brisanz verschiedener gesellschaftlicher Konfliktfelder von der subjektiven Wahrnehmung und Bewertung der Individuen und sozialen Gruppen abhängig ist und damit den Wirkungsmechanismen gesellschaftlicher Vermittlungsinstanzen (Medien, soziale und ökologische Bewegungen, politische Organisationen etc.) unterliegt, unterstreicht Jens Weiß. Er macht dabei u.a. darauf aufmerksam, daß zwischen ökologischer und sozialer Frage auch über das Verteilungsproblem der Kosten von Umweltnutzung und reproduktion ein enger Zusammenhang besteht, was auf die Aneignungs und Klassenverhältnisse der Gesellschaft zurückverweist.

Gold bleibt auch in der "Nach Bretton Woods Ära" eine wichtige Ressource. Claudia Jeschke und Peter Hiedl zeigen, wie Goldgewinnung, Verschuldung der Dritten Welt und Umweltzerstörung heute ursächlich zusammenhängen. Um eine andere, "moderne" Ressource geht es im Beitrag von Ulrich Dolata: die unter der Regie von Agrochemle und Pharmakonzernen betriebene Entwicklung und Vermarktung der modernen Biotechnologien. Auch in diesem Fall hat die Ressourcenausbeutung eine "Nord-Süd" Dimension: Die industrielle Aneignung und Nutzung der Gen und Züchtungstechnologien findet in den Metropolen der Triade statt, den Entwicklungsländern bleibt die Rolle des Ressourcenreservoirs und Experimentierfeldes. Gerade hier, wo das Pharmakapital mit dem Versprechen gesundheitlicher und agrarwirtschaftlicher Segnungen der Gentechnologie lockt, zeigt sich Öko Imperialismus in ausgeprägter Form: Die Nutzung der genetischen Ressourcen der Ökosysteme der Dritten Welt wird ausschließlich von in den Metropolen definierten Bedürfnissen gesteuert.

Drei weitere Beiträge befassen sich mit der Diskussion um das Konzept von "Sustainable Development". Jörg Cezanne gibt eine Ubersicht zur Entwicklung des Konzepts, seinen verschiedenen Varianten und dem Zusammenhang zwischen den Veränderungen im globalen Kapitalismus und Sustainability Diskurs. Bernd Hüttner stellt die Kritik an diesem Konzept vor, wie sie insbesondere aus der Sicht der Autonomen und des BUKO formuliert wird. Hermann Bömer plädiert für einen "Ökosozialen Deal". Hier wird auf der Basis eines Links oder Ökostruktur Keynesianismus das Modell eines Schrumpfkapitalismus entwickelt, der in Richtung auf eine sozial und ökologisch verträgliche nachhaltige Entwickgetrimmt werden soll. Die Option für eine solche Entwicklungssvariante sich freilich, wie Bömer auch betont, mit der harten Realität einzelkapitalistischen Eigentums , Verwertungs und Konkurrenzinteressen und mit den durch sie geprägten Konsumtionsstrukturen und bedürfnissen auseinanderzusetzen.

Ein zweiter Schwerpunkt dieses Heftes steht unter der Überschrift "Zehn Jahre, nach dem Historikerstreit". Michael Klundt gibt einen Überblick zu den Reaktionen bundesdeutscher Historiker und des Historiker Tages auf die Provokation Goldhagen, Kurt Pätzold fragt nach den heutigen Frontverläufen zwischen den konservativen Geschichts Revisionisten und ihren eher schweigsamen, liberal sozialdemokratischen Kritikern in der offiziellen Historiker Zunft. Gerd Wiegel verfolgt den Zusammenhang zwischen dem Historiker Streit und dem Geschichtsbild der neuen ("89er" )Rechten.

Unter "weitere Beiträge" bringen wir Aufsätze zu einem breiten Themenspektrum: die Fortsetzung zu Thomas Collmers Anregungen zur Hegel-Lektüre, eine Hommage von Ekkehart Sauermann an Klaus Holzkamp und seine Lerntheorie, einen Beitrag von Joachim Tesch zur politischen Ökonomie des Mietsektors der u.a. der Frage nachgeht, warum es ein Unterangebot an bezahlbarem und ein Überangebot an Luxus Wohnraum gibt, eine Abrechnung von Hans Fricke mit der z.T. auch in der linken Öffentlichkeit "übersehenen" Willkürjustiz gegenüber den ehemaligen Grenztruppen der DDR sowie ein Thesen Papier von Juri Iwanow, Moskau, über "Kapitalismus und Sozialismus an der Schwelle des dritten Jahrtausends". Wir berichten über das IMSF/Z Kolloquium vom Anfang Oktober, über zwei Tagungen zur Regulationstheorie in Frankfurt/M. und in Marburg und über den auch kapitalismustheoretisch interessanten "Ratschlag Wirtschaftskriminalität", der Ende Oktober in Frankfurt/M. stattfand. Bei den Buchbesprechungen ist auf eine Reihe von Rezensionen aufmerksam zu machen, die in direktem Zusammenhang mit den Schwerpunktthemen dieses Heftes gelesen werden können.

 
Zum Seitenanfang