Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung
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Heft 24, Dezember 1995, 06. Jhrg

Editorial

Mit dieser Ausgabe wird der 6. Jahrgang von Z abgeschlossen. Für Rückblicke ist es vielleicht noch zu früh; trotzdem glauben wir, daß ein nach Stichworten erschlossenes Inhaltsverzeichnis für die Nutzung der nun vorliegenden 24 Hefte mit gut 5000 Seiten dienlich sein könnte. Wir werden uns bemühen, ein solches Gesamtverzeichnis einem der nächsten Hefte beizulegen.
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Die vorliegende Ausgabe behandelt als Schwerpunkt ein Thema, das auch für die nachfolgenden Hefte 1996 bestimmend sein wird: Klassen, Klassenkampf und Klassentheorie heute. Mit der Renaissance der sozialen Frage, der Zunahme von Massenarmut und Verelendungsprozessen auch in den kapitalistischen Metropolen wird über die Thematisierung der "neuen Unterklassen" im offiziellen Diskurs auch die Klassendiskussion wieder salonfähig. Der geistige Salto rückwärts von der Klasse zum Volk von 1989ff. hat die Szene also nicht auf Dauer bestimmt zu offenkundig sind die sozialen Antagonismen und auch die wenig erfreulichen Konsequenzen eines solchen geistigen Rückfalls. Wo ethnischem, rassistischem, religiösfundamentalistischem u.ä. Denken der Boden bereitet wird, folgt der politische Umschlag in Barbarei stehenden Fußes. Und was die Linke betrifft, so hatte ein solcher Regreß, der den Verzicht auf die Gestaltung und Umwälzung gesellschaftlicher Gesamtzusammenhänge einschließt, gravierende Folgen. Daß dies zunehmend verstanden wird, zeigt der beginnende Rekurs auf die Klassenproblematik in einer ganzen Reihe von linken Zeitschriften und Publikationen.

Was die marxistische Tradition betrifft, so gehört die Klassentheorie zu ihren unverzichtbaren Bestandteilen und zwar aller Richtungen und Strömungen. Das Neudurchdenken der Klassentheorie ist also nicht nur Orientierungsdiskussion, sondern auch Element marxistischer Identitätsbestimmung. Z wäre überfordert, würde angestrebt, eine fix und fertige, den heutigen Verhältnissen adäquate Klassenkonzeption zu präsentieren. Uns kann es nur darum gehen, die im marxistischen, Spektrum gegenwärtig , vorhandenen Ansichten vorzustellen und zu konfrontieren, um damit eine Ubersicht über den Stand von Problemsicht und Diskussion zu ermöglichen.

Wir eröffnen im vorliegenden Heft die Klassendiskussion mit drei Beiträgen. Etwa zwanzig Zusagen für weitere Beiträge in den folgenden Heften liegen vor. Und es wäre erfreulich, wenn dabei unter aktiver Beteiligung unserer Leserinnen und Leser aus dem nebeneinander von Positionen ein wechselseitiger Bezug, also eine Diskussion werden könnte. Die Aufforderung zur Diskussionsbeteiligung ist also mehr als Pflichtübung. Harald Neubert thematisiert den Komplex von Klassen und Macht nicht zuletzt auf dem Hintergrund einseitiger und entstellender Lesarten der Vergangenheit. Jacques Kergoat untersucht die historische, theoretische und aktuelle Relevanz des Klassenkampfverständnisses, wobei er sich gegen einen Klassenreduktionismus wendet, der alle sozialen Konflikte auf den Klassenantagonismus bezieht. Eberhard Dähne stellt unter Auswertung von Studien des Ost Berliner isda Instituts eine konkretere Ebene der Klassen und Sozialstrukturuntersuchung vor, auf der die konkrete Lebenssituation und die Befindlichkeit der Menschen in der Ex DDR zum Ausdruck kommen. Gerade dieser Komplex konkreter Klassenuntersuchung wird weiter zu verfolgen sein.

Unter der Rubrik "weitere Beiträge" werden wie üblich wieder unterschiedliche Themen abgehandelt. Werner Seppmann legt eine erste kritische Rezension der ersten beiden Bände des von W.F. Haug herausgegebenen "Historisch kritischen Wörterbuchs des Marxismus" vor. Wolfgang Förster bringt uns in seinem Beitrag die Leistungen der deutschen Aufklärungsphilosophie in Erinnerung. Ein Text über das Verhältnis von Aufklärung und Marxismus, wird demnächst folgen. Malcolm Sylver arbeitet Grundzüge der Imperialismustheorie in der linken westlichen Diskussion heraus. Hehnut Bleiber setzt sich kritisch und pointiert mit Positionen in der zeitgenössischen deutschen Linken zu Nation und Nationalem auseinander, die er als "nationalnihilistisch" versteht. Er greift damit ein Thema auf, daß auch für Z noch lange nicht "abgehakt" werden kann.

Die Reihe "Linke Politikansätze in Deutschland" wird mit Texten zur SPD (Andreas Wehr) und zu den Autonomen (Bernd Hüttner) fortgesetzt. Aus der diesjährigen Sitzung der AG Marx Engels Forschung veröffentlichen wir im Anschluß an einen kritischen Bericht und Kommentar zur Tagung von Begona Guti6rrez zwei dort gehaltene Vorträge: Anneliese Griese zu den naturwissenschaftlichen Studien von Marx und Engels und Raúl Fornet Betancourt über die Wechselwirkungen von Positivismus und Marxismus in Lateinamerika.

Aufmerksam zu machen ist auf die Rubrik "Berichte", in deren Beiträgen sich vor allem die Aktivitäten zum "Engels Jahr" niedergeschlagen haben. Die Zuschrift von Günter Frech lenkt die Aufmerksamkeit auf die Situation der Gewerkschaften. Im Rezensionsblock wird auch dem Schwerpunktthema Rechnung getragen. Die weitere Planung von Z kann der im Heft veröffentlichten Vorschau entnommen werden.

Wir möchten schon jetzt darauf aufmerksam machen, daß die Beiträge der Internationalisierungs Tagung von IMSF e.V., Z und AG Kapitalismusforschung vom November d. J. im Frühjahr in der Publikationsreihe des IMSF erscheinen werden, zeitgleich mit einer Publikation von Erst Lüdemann, "Statistik der Weltwirtschaft".

Bliebe uns zum Schluß des Editorials, den Lesern, Freunden, Förderern, Trägern, Autorinnen und Autoren von Z einen solidarischen Gruß zum Jahreswechsel zu übermitteln.

 
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