Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung
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Heft 17, März 1994, 05. Jhrg

Editorial

Mit dem vorliegenden Heft 17 geht Z in seinen 5. Jahrgang. Schwerpunkte dieses Heftes sind Wirtschaft, Politik und Alternativen im "Superwahljahr" 1994. Wir setzen die im letzten Heft begonnene Beitragsreihe "Sozialismus - Neuansätze nach dem Crash" mit zwei Beiträgen fort. Gerade in der "Restaurationsphase" sollte der Blick nicht nur auf das unmittelbar Naheliegende, sondern auch in die weitere Zukunft geworfen werden.

A propos Restaurationsperiode. Zu den bedeutenden literarischen Ereignissen des letzten Jahres gehörte die Entdeckung der bisher unbekannten Exilbriefe Georg Büchners aus dem Jahre 1836. Sie dokumentieren die Unbeugsamkeit des ins Straßburger Exil geflohenen Verfassers des Hessischen Landboten. Der Mann, von dem der aus der deutschen Geschichte nicht wegzudenkende Schlachtruf "Friede den Hütten. Krieg den Palästen" stammte, dachte nicht an Resignation und Wendehälsigkeit im Metternichschen Vor-März. Zu Recht hat Lothar Baier die Entdeckung dieser Briefe "keinen schlechten Auftakt im freudlosen Spar- und Jammerjahr 1993" genannt. Dokumente gegen den Zeitgeist. Das sollte auch für das Spar- und Jammerjahr 1994 gelten.

Der erste Themenschwerpunkt von Z 17 behandelt Wirtschaft, Regulierung und Alternativen. Hans-Joachim Höhme gibt eine Übersicht zur internationalen Wirtschaftsentwicklung und zum Krisenverlauf in der Bundesrepublik. Joachim Bischoff kontrastiert die neokonservative Deregulierungspolitik mit einem Keynes reaktivierenden Konzept staatlicher Wirtschaftssteuerung als aktuelle wirtschaftspolitische Alternative. Elvio DalBosco gibt mit Blick auf die italienischen Wahlen eine Übersicht zum ökonomischen Strukturwandel Italiens. Peter Strutynski untersucht die Umstrukturierung der Arbeitsbeziehungen in den aktuellen Rationalisierungskonzepten. Er wirft dabei auch die Frage nach neuen Ansatzpunkten für gewerkschaftliche Gegenmachtbildung auf.

Uwe Kremer und Jörg Miehe steuern in diesem Heft Beiträge zur Sozialismus-Diskussion bei. Uwe Kremer macht den interessanten Versuch, die Entwicklung des Realsozialismus als deformierte Vergesellschaftung von oben unter unreifen Bedingungen und die Entwicklung von Sozialstaatselementen in Westeuropa als Vorformen sozialistischer Vergesellschaftung zusammenzudenken. Sein begriffliches Raster, was Sozialismus heute bedeutet, könnte die Diskussion weiter anregen. Jörg Miehe nimmt die progammatischen Zukunfts- und Sozialismus-Vorstellungen linker Gruppierungen in der Bundesrepublik näher unter die Lupe. Wieweit sie die Umwälzungen der letzten Jahre reflektieren, ist eine seiner Fragestellungen. In diesen Kontext gehört, sozialistische Theorie neu zu denken. Werner Goldschmidt problematisiert die als "historische Mission" apostrophierte geschichtliche Rollenbestimmung der Arbeiterklasse bei Marx/Engels - Spekulation oder empirisch belegte Hypothese? Wie Gramsci als "Modernisierer" marxistischen Denkens für die gedankliche Fassung der heutige Realität fruchtbar gemacht werden kann, reflektiert die Londoner Politologin Anne Showstack-Sassoon.

Unter den weiteren Beiträgen werden Demokratisierungsprozesse in Lateinamerika (Boris) und die Geschichte der Preußischen Akademie der Künste (Helms) beleuchtet. In Z 16 waren erstmals Standpunkte zur Frage "Was ist marxistische Erneuerung heute?" veröffentlicht worden. Diesmal äußern sich unsere Beiratsmitglieder Horst Heininger und Harald Werner sowie Hermann Krüger/Friedemann Schuster. Die Redaktion hofft auf weitere rege Beteiligung der Z-Leserinnen.
Dies gilt auch für die Diskussionsrubrik, die in dieser Ausgabe von Z bemerkenswert umfangreich ausfällt. Die diversen Beiträge beziehen sich auf Artikel und Kontroversen der letzten Hefte. Redaktionell umstritten war die Veröffentlichung von Petra Bachs Zuschrift, die in eine zweifelhafte Nähe zu nationalistischer Argumentation gerät. Wir entschlossen uns der Bedeutung des Themas wegen - Migration, soziale Belastungen und Alltagsrassismus - mehrheitlich zur Veröffentlichung mit kritischem Kommentar. Schwerpunkte bei den Buchbesprechungen - insgesamt 16 Beiträge - sind aktuell-politische, geschichtliche und philosophische Titel.

Die für Z 17 angekündigte Diskussion zum Wert-Preis-Transformationsproblem liegt mit Beiträgen von Schimmel/Hügel, Kern und Katzenstein vor, mußte aber auf das nächste Heft verschoben werden. Das verweist erneut auf Umfangprobleme. Die Redaktion sieht sich daher gelegentlich zu Kürzungen gezwungen, die wir uns auch in Zukunft vorbehalten müssen. Wir bitten AutorInnen und Leserinnen dafür um Verständnis. Diskussionsbeiträge sollen drei Druckseiten nicht überschreiten.

Z 17 ist das Produkt ihrer AutorInnen und, wie die Diskussionsrubriken zeigen, ihrer Leserinnen, aber auch der neuen Redaktion. Ihr gehören an Klaus D. Fischer, Heinz Jung, André Leisewitz, Jürgen Reusch und Reinhard Schweicher. Über die Arbeitsteilung war berichtet worden. Die nächsten Hefte bereiten z.T. erweiterte Redaktionen vor. Für Z 18 ("Anthropologische Lücke im Marxismus?", Juni 1994) sind Klaus D. Fischer und Henning Böke verantwortlich, für Z 19 ("Gewerkschaften in der Krise - Krise der Gewerkschaften?, September 1994) Frank Deppe und André Leisewitz. Z 20 ist dem Thema "Marxismus/Historismus/Restauration" (Dezember 1994) gewidmet. Redaktionell verantwortlich sind Reinhard Schweicher und Klaus D. Fischer. Das Heft dürfte gut in das 250. Todesjahr Giambatista Vicos passen, von dem bekanntlich die zentrale geschichtsphilosophische These der aufklärerischen, "linken Moderne" stammt, daß die Menschen ihre Geschichte selbst machen.

Die Redaktion dankt für Zuschriften und zugesandte Manuskripte; sie bittet zugleich um Beteiligung der Leserinnen und Leser an der Verbreitung der Zeitschrift und Gewinnung neuer Abonnenten. Nicht zuletzt davon hängt der Fortgang des Projektes ab.

 
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